17. Juli 2015

Google im Land der Robotik; Teil 1

Google ist unheimlich aktiv, die Bereiche Robotik und Künstliche Intelligenz sind davon natürlich bei Weitem nicht ausgeschlossen. Die Frage, die bleibt: wohin will Google? Da das Unternehmen bei solchen Dingen eher verschlossen reagiert, schauen wir uns einfach an, was sich von Googles Seite in der Robotik bisher getan hat und versuchen, unsere eigene Schlussfolgerung zu ziehen.

Google polarisiert, das steht außer Frage. Der Respekt vor dem beeindruckenden Wachstum des Unternehmens seit seiner Gründung ist bei vielen dem Misstrauen gegenüber Googles Ausbreitung, Motiven und Größenwahn gewichen. Schon seit Jahren gilt der Gigant für manche als unheimlich wachsendes Datenmonster, dass seine Arme mittlerweile regelmäßig in Richtungen ausstreckt, die weit über seine ursprüngliche Funktion als Suchmaschinenanbieter hinaus gehen und damit einen Beigeschmack hinterlassen; ebenso wie die Frage, welche langfristigen Ziele das Unternehmen eigentlich verfolgt. In Sachen Robotik und Künstlicher Intelligenz hat sich Google vor allem 2013 deutlich aktiv gezeigt, ein Überblick über die Unternehmungen der „Datenkrake“ ist damit also längst überfällig.

Eine Auflistung der von Google eingekauften Robotikunternehmen zeigt recht deutlich die Interessensausrichtung des Konzerns, besonders im Hinblick auf den knappen Zeitraum von Dezember 2013 bis Januar 2014, in dem die ersten offensichtlichen Übernahmen im Bereich Robotik stattgefunden haben. Dabei wurden allein im Dezember 2013 ganze sieben Firmen von Google aufgekauft, von denen Boston Dynamics, welches Verträge mit dem Pentagon und dem amerikanischen Militär unterhält, als wohl beeindruckendste, aber auch beunruhigendste Errungenschaft gilt.


  1. Schaft, Inc. (japanisches Unternehmen; Robotik und Humanoide; gekauft am 2. Dezember 2013):

Schaft, Inc. hat nur kurz nach seiner Übernahme durch Google am 20./ 21. Dezember 2013 an den Eröffnungsprobeläufen der DARPA Robotics Challenge teilgenommen und den Wettbewerb deutlich dominiert. Bekannt geworden ist Schaft, Inc. nur Monate zuvor durch das Öffentlichmachen der Entwicklung eines neuartigen Aktuators, Gulp, der die bis dahin geringe Tragkraft humanoider Roboter (ASIMO kann beispielsweise nur wenige Kilogramm anheben) deutlich erhöhen sollte. Seine Ursprünge hat das Unternehmen am JSK, dem Jouhou System Kougaku Labor der Universität Tôkyô, von dem es sich zur Vermarktung der entwickelten Technologie ausgliederte.


  1. Industrial Perception, Inc. (amerikanisches Unternehmen; Roboterarme und Computervision; gekauft am 3. Dezember 2013):

Industrial Perception, Inc. ist ein ursprüngliches Spinoff von Willow Garage, jenem Robotik-Forschungslabor, das unter anderem die Open Source Software Suite ROS (Robot Operating System) entwickelt hat. Da Willow Garage von einem frühen Google-Angestellten gegründet wurde, erscheint die Übernahme von Industrial Perceptions, Inc. durch Google nicht ungewöhnlich. Besonders wertvoll ist das Start-Up auf jeden Fall aufgrund seiner Tätigkeiten, Roboter für ihren Einsatz in der realen Welt zu trainieren, d.h. ihnen nicht nur ein Bewusstsein für ihre Umgebung zu verleihen, sondern dieses an Entscheidungsfindung und die darauffolgende Aktion zu knüpfen.


  1. Redwood Robotics (amerikanisches Unternehmen; Roboterarme; gekauft am 4. Dezember 2013):

Auch Redwood Robotics kommt zum Teil aus dem Hause Willow Garage. Als Joint Venture von Willow Garage, SRI International und Meka Robotics, das 2012 gegründet wurde, spezialisierte sich Redwood Robotics im Bereich persönlicher und Service-Roboterarme, mit Fokus auf simples Programmieren, Kosteneffektivität und sichere Bedienung neben menschlichen Mitarbeitern. Darüber hinaus entstand diese Kooperation wohl auch, um dem damaligen Marktführer Heartland Robotics (heute Rethink Robotics) angemessene Konkurrenz zu machen.


  1. Meka Robotics (amerikanisches Unternehmen; Roboter; gekauft am 5. Dezember 2013):

Meka Robotics kann auf starke Wurzeln zurückblicken. Das Spinoff des MIT Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory wurde 2006 gegründet und war wie später Redwood Robotics spezialisiert auf dem Gebiet von Robotern, die Seite an Seite mit Menschen arbeiten. Die wohl bekanntesten Produkte, die Meka Robotics hervorgebracht hat, sind der M1 Mobile Manipulator, ein mit zwei Armen, einem Kinect-Sensor und einem omnidirektionalen Radstand ausgestatteter Roboter, sowie der S2 Humanoid Head, ein sozialer Roboter, der zur Erforschung der Roboter-Mensch-Interaktion dient.


  1. Holomni (amerikanisches Unternehmen; Roboterräder; gekauft am 6. Dezember 2013):

Über die Firma Holomni ist nicht allzu viel bekannt; eigentlich nicht mehr, als dass sie kleine, omnidirektionale Räder und Fahrzeuge für Roboter entwickeln, die dadurch natürlich besonders manövrierfähig werden. Die von Holomni produzierten Roboter scheinen anhand ihrer Fähigkeiten gut geeignet für die Verwaltung großer Lagerhäuser.


  1. Bot & Dolly (amerikanisches Unternehmen; robotische Kameras; gekauft am 7. Dezember 2013):

Bot & Dolly wurde 2010 als Nebenprodukt der Videoproduktionsfirma Autofuss gegründet. Zu seinen ersten Großkunden gehörte – Sie denken ganz richtig – Google. Scheinbar war das Unternehmen so begeistert, dass es die Firma später komplett schluckte. Angesichts der Fähigkeiten, die Bot & Dolly besitzt, hat sich Google damit ein großes Potenzial erschlossen, denn die Firma war unter anderem für den Eindruck von Schwerelosigkeit im oscarprämierten Film „Gravity“ verantwortlich. Dabei bewegten die Roboter von Bot & Dolly Kameras, Setteile und Lichter um die Schauspieler herum, ganz im Gegensatz zu herkömmlichen Drehmethoden, bei denen die Schauspieler die Bewegungen durch das Set vollführen.


  1. Boston Dynamics (amerikanisches Unternehmen; Robotik; gekauft am 8. Dezember 2013):

Boston Dynamics ist der wohl prominenteste Vertreter unter den Google-Einkäufen. Bereits 1992 gegründet befasst sich das Unternehmen vor allem mit der Forschung und Entwicklung autonomer Laufroboter für militärische Zwecke, wie Cheetah oder auch Wildcat. Mit Googles Übernahme der als „am weitesten fortgeschrittenes Robotikunternehmen der Welt“ geltenden Firma hat sich der Konzern deutlich und mit einem Sprung an die Spitze der Roboterentwicklung katapultiert. Hoffnung macht dabei zumindest, dass sich Google von bestehenden Militärverträgen zwischen Boston Dynamics und dem amerikanischen Militär insofern distanziert, als dass diese zwar anerkannt würden, Google jedoch nicht vorhätte, zukünftig ebenfalls Auftragnehmer des Pentagons zu werden.


  1. DeepMind Technologies (britisches Unternehmen, Künstliche Intelligenz, gekauft am 26. Januar 2014):

DeepMind Technologies ist ein mehrfach eindrucksvolles Start-Up. Gegründet wurde es 2011 zum einem von unter anderem Demis Hassabis, der als Wunderkind im Schach sowie als bester Allround-Spieler der Welt gilt (er ist neben Schach auch Experte in Diplomatie, Shôgi und Poker) und heute als Forscher auf dem Gebiet Künstlicher Intelligenz, Neurowissenschaftler und Computerspieledesigner aktiv ist. Zum anderen ist DeepMind Technologies in den entsprechenden Kreisen eine überaus angesehene Unternehmung, der so viel Expertise, Know-How und Potenzial zugesprochen wird, dass selbst Visionäre wie Elon Musk bereits in die Firma investiert haben. Das grundsätzliche Ziel der Firma ist es, Intelligenz „zu lösen“, und zwar durch das Kombinieren der besten technischen Verfahren des maschinellen Lernens und der Systemneurowissenschaft, um so einen leistungsfähigen, universellen Lernalgorithmus zu entwickeln. Intelligenz soll auf diese Weise formalisiert werden, damit sie nicht nur in Maschinen implementiert werden kann, sondern auch, um das menschliche Gehirn besser verstehen zu lernen. Google hat DeepMind Technologies nach abgebrochenen Verhandlungen des Start-Ups mit Facebook schließlich 2014 aufgekauft, musste sich aber immerhin auf den Kompromiss der Gründung eines Ethikkomitees für Künstliche Intelligenz einlassen.


Sehr interessant ist, dass das Aufrufen der Homepages dieser Firmen entweder zu Fehlermeldungen führt („Google Error 404: The requested URL / was not found on this server“), die Webseiten nicht mehr aktiv sind bzw. nur noch über die Einstellung externer Arbeiten nach der Übernahme durch Google informieren (Holomni) ODER, und so viel frecher, deren URLs den User direkt zu Googles Suchseite umleiten. Die einzigen Ausnahmen sind Boston Dynamics und DeepMind Technologies (jetzt Google DeepMind), die möglicherweise bereits zu groß sind, als dass Google noch Einfluss auf ihre Präsenz im Internet nehmen könnte. Zumindest im Fall von Schaft, Inc. wurde bis zum Einkauf des Start-Ups regelmäßig und fleißig über Entwicklungen, Technologien und Pläne gesprochen. Nach Google hielt man sich plötzlich sehr bedeckt. Dies ging sogar soweit, dass sich das Team selbst während der Teilnahme an den Tests für die DARPA Robotics Challenge weigerte, mit dem Medien zu sprechen und versuchte, Fotografen vom eigenen Roboter fernzuhalten. Zuvor auf der Internetseite platzierte Informationen wurden gelöscht, bis die Seite schließlich gänzlich außer Kraft gesetzt wurde.

Patente, Patente, Patente,…

Neben der Aneignung ganzer Unternehmen ist Google aber ebenso ambitioniert, wenn es um die Anmeldung von Patenten geht, die in Zusammenhang mit Robotik stehen. Erst Mitte April 2015 wurde dem Konzern nach rund zwei Jahren ein Patent für eine Technologie zugesprochen, mit deren Hilfe die Cloud genutzt werden kann, um ganze Teams an Robotern zu kontrollieren – ohne dabei zu limitieren, wie viele Roboter gleichzeitig verwaltet werden können: „Systems and Methods for Allocating Tasks to a Plurality of Robotic Devices“. Der Begriff „Roboterarmee“ drängt sich an dieser Stelle unweigerlich auf. Tatsächlich schätzen Experten dieses Patent als strategisch sehr wichtig für Google ein, da es hierbei um eine Technologie geht, die innerhalb eines speziellen Gebietes essentiell ist. Sie könnte vorschreiben, auf welche Art Aufgaben unter multiplen Robotern verteilt werden in Abhängigkeit davon, welcher der Roboter am besten dafür geeignet ist. Aus unternehmerischer Sicht besitzt eine solche Technologie besonders großes Potenzial, wenn es um Arbeitsplätze geht. Gerade untergeordnete Aufgaben, wie Fließbandarbeit, könnten leicht von Robotern übernommen werden, da sie nicht mehr nur zu individuellen Tätigkeiten, sondern zur Arbeit im Team fähig wären.

Wie auch in anderen Belangen erwirbt Google Patente nicht nur mit einer Interessensausrichtung und durchaus begründet auf langfristige Visionen. Bereits im März 2015 kam das Unternehmen beispielsweise in den Besitz eines Patentes, das sich mit einer anpassenden, alternierenden Persönlichkeit von Robotern abhängig von ihrem Gegenüber beschäftigt:

In einem Beispiel aus dem Patent geht der Roboter so weit, eine komplette Persönlichkeit auf Anfrage nachzustellen. ‚Sei Mutti‘ könnte ihn sofort dazu veranlassen, ihr Telefon und ihren Computer nach Informationen über „Mutti“ zu durchsuchen, um z.B. ihre Stimme anhand von Aufnahmen zu bestimmen und gleichzeitig ein Foto von ihr zu zeigen.“ (Kate Darling, IEEE Spectrum).

Dies könnte nur ein Schritt auf dem Weg zu Googles Spekulation sein, zukünftig einzelne, persönliche Erfahrungen auf einen Computer auslagern zu können – und später möglicherweise sogar unsere gesamte Persönlichkeit.

Was also hat Google vor?

Es gibt verschiedenste Spekulationen darüber, warum sich Google so massiv in die Robotik und Künstliche Intelligenz einkauft. Die deutliche Naheliegendste mag Googles Absicht sein, eine neue Generation an autonomen Systemen zu schaffen, die von Lagerhausarbeiten über Paketauslieferung bis hin zur Altenpflege zu allem fähig sind. Die Vorstellung, dass der Konzern nicht versucht, aus all seinen Projekten so viel Kapital zu schlagen wie möglich erscheint ohnehin unglaubwürdig. Andere trauen Google dagegen durchaus auch philanthropische Gründe zu, wie beispielsweise ein Investment aufgrund der technischen Herausforderung und der daraus folgenden, langfristigen Vorteile für die Gesellschaft.

Für Google selbst geht es wahrscheinlich neben aller wirtschaftlichen Motivation um seine „Moonshots“, visionäre Großprojekte, die in Anlehnung an John F. Kennedys Ankündigung der Mondlandung so bezeichnet werden. Laut Sebastian Thrun, Gründer von Google X (mehr dazu in Teil 2 unseres Berichtes), lautet das dazugehörige Google-Mantra, dass Erfolg erst greifbar ist, wenn das Leben von einer Milliarde Menschen verändert wurde. Dabei sei der Preis, den Google am Ende mit seinen Forschungen und Entwicklungen anzielt, so groß, dass die Kosten auf dem Weg dorthin keine Rolle spielten. Auf diese Weise lassen sich enorme Einkäufe für schwindelig hohe Summen durchaus rechtfertigen, die reine Freude am „Basteln“ mit eventuell nützlichem Endergebnis kauft Google so jedoch wohl kaum einer ab.

Fazit

Google ist eine faszinierende und zugleich undurchsichtige Maschinerie, von der schon lange niemand außerhalb von Google mehr erahnen kann, in wie viele Projekte sie eigentlich involviert ist. Unheimlich wirkt in diesem Zusammenhang besonders Googles Geheimniskrämerei, die nicht nur eigene Unternehmungen betrifft, sondern auch, wie zum Beispiel im Fall von Schaft, Inc., zu einer scheinbar vertraglich vereinbarten Schweigepflicht bei Übernahme führen kann. Andererseits ist gerade ein Großkonzern wie Google mit mehr als 50.000 Mitarbeitern weltweit an zahlreichen Ecken und Ende angreifbar durch Industriespionage, Weitergabe von Betriebsgeheimnissen etc., dass eine gewisse Paranoia in dieser Hinsicht möglicherweise ganz natürlich auftritt.

Googles Bewegungen im Bereich Robotik erscheinen trotzdem, und vielleicht sogar genau deswegen als besonders fragwürdig. Im Angesicht der sowieso bestehenden sozialen Ängste gegenüber einer immer stärkeren Technologieausbreitung erregt es durchaus Besorgnis, wenn ein Unternehmen dieser Größe und Intransparenz enorme Gelder in die Entwicklung und Erforschung einer Technologie steckt, die die Kinderschuhen noch nicht verlassen hat, und sich dadurch auch unweigerlich in die daraus resultierenden, zukünftigen Technologien einkauft. Nicht zu vergessen, der Erwerb von Boston Dynamics, das eine eindeutig militärische Ausrichtung besitzt. Skynet, dein Name ist Google?


Quellen