27. April 2015

„Ich kann das, ich bin genug!“ – Die Womenize! in Berlin startet ambitioniert in die erste Runde

Mit dem Aktionstag „Womenize!“ im Rahmen der International Games Week in Berlin begann am vergangenen Donnerstag die erste Veranstaltung, die versucht, Frauen aktiv für die Branchen Tech, Digitalwirtschaft und Medien zu begeistern. Ob das Konzept aufgegangen ist, haben wir hier einmal zusammengefasst.

Womenize! Studio 1 Studio 1 – Workshops und Aussteller ©Roboterwelt

Ich muss gestehen, ich bin kein Mitglied irgendeiner Art an Frauenbewegung. Meine Freundinnen sind es nicht, sie sind als Frauen beruflich überaus erfolgreich, ich wurde nicht dahingehend erzogen, ich habe bisher keine Diskriminierung in diesem Bereich erfahren… Kurz, mir fehlt die persönliche Bindung, abgesehen von jener, die mir von aktiven Frauen eventuell abverlangt wird, eben weil ich eine Frau bin und mich deshalb engagieren sollte. Eine Veranstaltung wie Womenize! zu besuchen, ist deshalb eine eher seltene Erfahrung, die mich jedoch auch dementsprechend neugierig macht.

Der Aktionstag findet in der Backfabrik im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg statt, ein weitläufiges Gelände mit sanierten Fabrikgebäuden und jeder Menge Hinterhöfen, keine 10 Minuten vom Alexanderplatz entfernt und direkt neben dem elitären Soho-Haus gelegen. Der Eingangsbereich ist imposant, nicht zuletzt wegen des Brunnens davor, die gesamten Räumlichkeiten verfügen über große Fensterfronten und wirken dementsprechend freundlich. Es gibt im Inneren zwei große Säle, einen für den Konferenzbereich, einen für die Workshops und den Ausstellerbereich einzelner Unternehmen, die sich zunächst eher langsam mit Menschen füllen. Im weiteren Verlauf des Tages steigt die Besucherzahl zumindest der Veranstaltungen, die ich mir ansehe, auf immerhin bis zu zwei Drittel an (bei einer geschätzten Sitzplatzmenge von 80 bis 100 Stühlen pro Saal). Für eine erste Ausgabe des Womenize! Aktionstages meines Erachtens eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

Womenize! Studio 2 Studio 2 – Konferenzen ©Roboterwelt

Da ich mir bis zur Kaffeepause zunächst die Vorträge und Paneldiskussionen anschauen möchte, geht es nach einer kurzen Begehung aller Räume erst einmal in den Konferenzsaal. Den Anfang machen die Eröffnungsansprachen von Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung im Berliner Senat, den Veranstaltern Ruth Lemmen und Michael Liebe sowie von Lina van de Mars, einer sehr beeindruckenden Frau mit vielseitigen „frauenuntypischen“ Talenten, wie Mechatronik, Motorsport und Schlagzeug, die als Botschafterin von Womenize! hier ist. Ich merke gleich, wie viel Vorfreude und Enthusiasmus bei allen Beteiligten mitschwingt und das steckt an.

Von Google Play bis Steve Jobs

Die folgenden Keynotes, Dialoge, Fireside Chats und Paneldiskussionen gestalten sich vielseitig und zuweilen etwas unkonventionell im Format. Während zum Beispiel Nicole DeMeo, CMO (Marketingchefin) von glispa, über ihre eindrucksvollen Berufserfahrungen und Kooperationen mit Persönlichkeiten, wie Steve Jobs, aus dem Nähkästchen plaudert, führen Daniela Schiffer, Mitgründerin von Changers.com, und Odile Limpach, freiberufliche Strategische Consultant, ein eher ungewöhnliches, gegenseitiges Interview über ihre jeweiligen beruflichen Hintergründe und die damit verbundenen Herausforderungen. Es folgen die Präsentation von Anja Popp, HR-Direktorin (Leiterin der Personalabteilung) bei King.com, die über die in Wellen immer wiederkehrende Frage der Vereinbarkeit von Karriere und Familie bei Frauen spricht, sowie eine größere, geleitete Diskussion darüber, welche Strategien Frauen in der Tech- und Gamesbranche verfolgen sollten. Die Protagonisten sind hier die Moderatorin Anna Rose, Mitgründerin und CEO (Geschäftsführerin) von Videopath, Diplompsychologin Kathrin Jepsen von den Telekom Innovation Laboratories, Anna Walkowska, CEO von Homplex, Dora Nikolova, Mobile Marketing Manager bei Aeria Games Europe und Juliane Haubold, Studentin der Robert Gordon Universität in Aberdeen, Schottland.

Womenize! Paneldiskussion Paneldiskussion zu den Strategien für Frauen in der Tech- und Gamesbranche ©Roboterwelt

Eine ausgiebige Mittagspause später folgt ein interessanter Vortrag von Tamara Atanasoska, Developer Care Associate bei Webcrowd, die die Wichtigkeit von Frauen-Communities, wie zum Beispiel den Geekettes, in den Vordergrund stellt. Und spannend wird es auch direkt danach, als sich Koh Kim, Business Development Managerin bei Google Play Games, und Kate Edwards, Geschäftsführerin von IGDA, ebenfalls interviewähnlich über ihre Erfahrungen und ihren Weg in die Gamesbranche unterhalten.

Womenize! gegenseitiges Interview Gegenseitiges Interview von Daniela Schiffer (rechts) und Odile Limpach (links) ©Roboterwelt

Zeit für eine Zwischenbilanz…

Der Besuch der Vortragsreihe hat verschiedene Vorteile für diejenigen Teilnehmerinnen, die auf der Suche nach einer Anstellung in der Digitalwirtschaft sind bzw. darüber nachdenken, in die Tech- oder Gamesbranche zu wechseln:

  1. Die Liste der Sprecherinnen umfasst eine Vielzahl an Frauen in führenden Positionen, mit denen im weiteren Rahmen der Veranstaltung ganz unkompliziert bei einem Kaffee in Kontakt getreten werden kann.
  2. Die Einblicke aus erster Hand in die entsprechenden Berufswege, den Berufseinstieg, insbesondere Quereinstiege, sind überaus wertvoll, um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie realistisch die eigenen Vorstellungen tatsächlich sind.
  3. Im Zuge der grundpositiven Stimmung sowohl der Sprecherinnen als auch der Veranstalter wird immer wieder betont, dass es nicht unbedingt einfach ist, sich als Frau in diesen Branchen zu beweisen, dass sich der Versuch jedoch mehr als lohnt, es muss nur das nötige Selbstvertrauen her. Darüber hinaus ist es wichtig für Frauen, sich in bislang von Männern dominierten Positionen auch ihrer Vorteile bewusst zu werden und diese gezielt für sich zu nutzen. Frauen werden hier auf eine Art bestärkt, sich der Herausforderung zu stellen, die absolut authentisch ist und Vorfreude auf ein solches Vorhaben schafft.

Praxis einmal anders

Doch wie steht es mit den Workshops? Laut der Programmliste geht es in diesem Bereich der Womenize! um die praktische Anwendung, d.h. die wichtigen Schritte, die einer tatsächlichen Bewerbung zwingend voraus gehen sollten. Der erste Workshop, den ich mir also dazu anschaue, dreht sich rund um die digitale Sichtbarkeit, Digital Visibility, die für den eigenen Bewerbungsprozess in den angezielten Branchen natürlich essentiell ist. Die Rednerin ist Nicole Simon, eine sehr vielseitig erfolgreiche Autorin, Spezialistin für Social Media, Mentorin bei hub:raum, den Berliner Geekettes u.ä. sowie Head of Community der Firma blogfoster. Man kann also sagen, sie weiß, wovon sie spricht.

Womenize! Nicole Simon Nicole Simon ©Roboterwelt

Wer hätte gedacht, worauf es heute alles zu achten gilt, wenn eine Bewerbung ansteht. Ich denke nicht, dass all die Dinge, die ich gelernt habe, auf jede Branche Anwendung finden müssen, aber es kann natürlich nicht schaden, auch bei einer angestrebten Stelle jenseits von Führungspersonal einmal die eigenen Accounts bei LinkedIn, Xing, Facebook, Twitter etc. zu säubern, zu optimieren und auch über diese Kanäle professionell in Erscheinung zu treten. Das insgeheime Mantra lautet: „Wer kontaktiert werden will, muss auffindbar sein“ und so ist es ja auch. Abgesehen davon unterbindet man auf diese Weise gleichzeitig das ungünstige Szenario des zukünftigen Chefs, der bei seiner Google-Suche im Vorfeld des Bewerbungsgespräches auf die Partybilder der letzten Nacht stößt.

Im nächsten Workshop steht der wohl wichtigste Punkt einer Bewerbung im Mittelpunkt: der perfekte Lebenslauf. Anna Ott, seit 2000, also den Anfängen der digitalen Wirtschaft, tätig im Bereich Personal (HR) für Start-ups, hat nicht viel Zeit, vermittelt uns aber dennoch sehr deutlich und anschaulich, worauf es dabei ankommt. Besonders spannend sind allerdings die Punkte, die ihre persönliche Auswahltaktik betreffen. Gehe ich beispielsweise davon aus, dass der Bereich ‚Hobbies‘ in meiner Bewerbung in bestimmter Weise Aufschluss über meine weiteren Talente, wie Teamfähigkeit (Volleyball), Strategieverhalten (Schach) oder Ausdauer (Lauftraining) geben könnte, sieht Frau Ott das ganz anders: hat das Hobby nichts mit der eigentlichen Stelle zu tun, hat es im Lebenslauf auch nichts verloren. Umso erfreulicher, dass sie, wenn auch aus anderen Gesichtspunkten, meine Abneigung gegen Bewerbungsanschreiben teilt.

Womenize! Anna Ott Anna Ott ©Roboterwelt

Schließlich kommen wir zum ungewöhnlichsten, aber nicht minder wichtigen Workshop. Bei „Boost Your Confidence in Any Situation“ beginnen wir gleich im Stehen und nehmen erst einmal die Lieblingspose von Rednerin Val Racheeva, Gründerin & Geschäftsführerin von WEFOUND, ein, d.h. fester Stand und die Arme stolz in die Höhe gestreckt. Dazu brüllen wir wiederholt „I am enough“ in die Runde. Es ist in der Tat befreiend, allerdings auch mit etwas Überwindung verbunden. Nachdem wir uns wieder gesetzt haben, führt uns Violetta Pleshakova, Coach bei WEFOUND, durch verschiedene Taktiken, das eigene Selbstvertrauen zu steigern und sich in Situationen, die mit Stress verbunden sind, wie Bewerbungsgespräche, selbst zur Ruhe zu bringen und innerlich zu stärken. Mir persönlich fällt es schwer, an die Wirksamkeit solcher Praktiken zu glauben, aber ich beneide Menschen, denen Kniffe dieser Art wirklich helfen.

Womenize! Violetta Pleshakova Violetta Pleshakova ©Roboterwelt

Fazit

Würde ich die Womenize! im nächsten Jahr wieder besuchen? Auf jeden Fall. Kann ich anderen Frauen einen Besuch empfehlen? Absolut. Obwohl ich nicht auf der Suche bin nach einer Anstellung in der Tech-, IT- oder Gamesbranche, habe ich die Veranstaltung mit jeder Menge Antrieb verlassen. Es war schön zu merken, dass die Motivation hinter der Womenize!, also Frauen für genau diese Berufe begeistern, selbst bei mir etwas bewirkt hat. Immerhin habe ich mich dazu entschlossen, Programmieren zu lernen und bereits mit den Grundlagen dazu begonnen.

Trotzdem gibt es noch ein paar für mich kritische Punkte, auf die ich eingehen möchte. Zwei Dinge sind mir zunächst im Rahmen der Veranstaltung als nennen wir es „unglücklich gewählt“ aufgefallen. Zum einen wurden Schminktische für „Business Make-up Tutorials“ bereit gestellt. Zum anderen hat sich die Telekom an ihrem Ausstellertisch für Haarbürsten und pinken Nagellack als Give-Aways entschieden. Ich persönlich finde es schwierig, bei einem Aktionstag für Frauen auf solche Dinge zurückzugreifen, da es in diesem speziellen Kontext einfach schnell falsch verstanden werden kann. Natürlich würde ich als Frau in einer Männerdomäne absolut nicht auf mein Make-up verzichten, aber gerade bei der ersten Ausgabe eines Events, das die Stärke von Frauen hervorheben und diese fördern will, sollte es darum nun wirklich nicht gehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der überdacht werden sollte, ist die Auswahl der Zielgruppen. Laut Veranstaltern sind dies Frauen, die sich im Bereich Medien und Digitalwirtschaft eine Karriere aufbauen wollen. Sollte mit der Womenize! nur darauf gezielt werden, weibliche Führungskräfte zu vermitteln bzw. Unternehmen in Kontakt mit solchen zu bringen, gibt es nichts zu beanstanden. Gilt das Anliegen jedoch allen Frauen, was ich sehr gut fände, lässt der Gesamtansatz im Moment noch die wichtigsten Altersgruppen aus: Schülerinnen und Studienanfängerinnen. Um Frauen für Berufe in der Digitalen Wirtschaft begeistern zu können, müssen die ersten Impulse bereits weit vor dem Berufseinstieg gesetzt werden. Dies kann von Seiten der Politik schon im Kindergarten oder in der Grundschule durch entsprechende Bildungsinitiativen beginnen. Es sollte jedoch spätestens in der Phase geschehen, in der sich angehende Studentinnen für ihren Studiengang entscheiden. An diesem Punkt Veranstaltungen wie die Womenize! bekannt zu machen, kann solchen Frauen meines Erachtens noch einmal völlig neue Perspektiven vermitteln, die schließlich ihre universitäre Laufbahn bestimmen oder zumindest beeinflussen könnten. Da die komplette Veranstaltung auf Englisch abgehalten wurde, sind jedoch Schülerinnen je nach Stufe im schlimmsten Fall mit einer Sprachbarriere konfrontiert und werden damit zu einem bestimmten Anteil schon von vornherein ausgeschlossen. Eventuell also wäre eine Schülervariante der Womenize! für das nächste Jahr eine interessante Zusatzveranstaltung.