18. Februar 2015

Japans „Neue Industrierevolution angetrieben durch Roboter“

Schwierige demografische Bedingungen und eine anhaltende wirtschaftliche Stagnation sind in Japan seit vielen Jahren bekannte Probleme. Geht es nach Premierminister Shinzo Abe findet sich die Lösung für beide Herausforderungen jedoch in der neuen politischen Strategie der „Roboterrevolution“.

Logo Robot Revolution

Unter den Ländern, die Probleme mit einer rapide alternden Gesellschaft haben, nimmt Japan seit jeher eine gesonderte Rolle ein. Der Grund dafür liegt im speziellen demografischen Übergang des Landes (geprägt durch die Alterung der Bevölkerung und den Rückgang der Geburtenrate), der Japan innerhalb nur eines Jahrhunderts vom Nachzügler zum Vorreiter hat werden lassen. So lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in Japan noch Anfang des 20. Jahrhunderts unterhalb der westeuropäischer Länder, Ende des 20. Jahrhunderts galt Japan dagegen bereits als älteste Nation der Welt. Eine Entwicklung, die allein seit der Nachkriegszeit zu einer bei Frauen um 60% und bei Männern um 59% gesteigerten Lebenserwartung führte. Die zugleich unterhalb des Reproduktionsniveaus (ca. 2,1 Kindern pro Frau) liegende Geburtenrate (2014 bei etwa 1,4) führt dazu, dass sich die sogenannte Bevölkerungspyramide, eine bildliche Darstellung der Bevölkerungszusammensetzung nach Altersgruppen, umgekehrt hat und der Anteil an Personen im Alter von 65 Jahren und älter gegenüber dem Anteil jüngerer Personen deutlich und kontinuierlich zunimmt. Die gleichzeitige Abnahme der jüngeren Bevölkerung aufgrund der niedrigen Geburtenrate resultiert schließlich in einer Abnahme der Gesamtbevölkerung. Damit werden Japaner nicht nur im Durchschnitt immer älter, sondern auch weniger.

Japans politische Antwort auf Demografie und Wirtschaft

Im Angesicht der sozialen Herausforderungen einer sinkenden Geburtenrate, der alternden Bevölkerung sowie der damit verbundenen, schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sieht die japanische Regierung mittlerweile in der Robotertechnologie das Potenzial für deren Bewältigung. Ermöglicht werden sollen so beispielsweise der Ausgleich von Arbeitskräftemangel, die Reduktion von Überlastung einzelner Arbeiter sowie eine Steigerung der Produktivität in zahlreichen Sektoren.

Die überarbeitete Version der 2013 entworfenen „Revitalisierungsstrategie für Japan“ (Japans Revitalization Strategy), die im Juni 2014 vom japanischen Kabinett unter Premierminister Shinzo Abe genehmigt wurde, erwähnt in diesem Zusammenhang die sogenannte „Neue Industrierevolution angetrieben durch Roboter“, auch als „Roboterrevolution“ bezeichnet. Diese beinhaltet die Nutzung von Robotertechnologien zur Verbesserung von Japans Produktivität, der Steigerung der Rentabilität japanischer Unternehmen sowie der Erhöhung der Löhne. Ein erster Schritt in Richtung einer Realisierung dieser Roboterrevolution war die Gründung eines entsprechenden Rates (Robot Revolution Realization Council) im September 2014, der sich aus Experten verschiedener Gebiete zusammensetzt. Bisher hat dieser Rat sechsmal getagt, um spezifische Maßnahmen, einschließlich Technologieentwicklung, Kontrollreformen und globale Standardisierung japanischer Robotertechnologien, zu diskutieren.

Ein Entwurf der japanischen Roboterstrategien

Basierend auf den Ergebnissen dieser Diskussionen hat die japanische Regierung eine erste Strategie sowie einen Aktionsplan je Sektor entworfen, die sich unter anderem auf die Förderung der folgenden drei Säulen stützen sollen, um eine Roboterrevolution tatsächlich möglich zu machen:

  1. Die fundamentale Erhöhung der japanischen Befähigung, Roboter zu bauen, mit dem Ziel, Japan zu einem globalen Zentrum für Roboterinnovationen zu machen.
  2. Die Verwendung und Verbreitung von Robotern in ganz Japan. Im Genaueren bedeutet dies die Bemühung, der Welt die Nutzung von Robotern anhand des Einsatzes im eigenen Land vorzuführen und gleichzeitig darauf zu zielen, die Gesellschaft mit dem höchsten Level an Roboternutzung weltweit zu schaffen.
  3. Die Entwicklung der Roboterrevolution in Erwartung einer weltweiten Verbreitung, d.h. das Vorhaben, Geschäftsregularien zu formulieren unter der Prämisse einer Vernetzung der Roboter sowie der autonomen Akkumulation und Nutzung von Daten durch diese Roboter. Ziel ist es, Japans Robotertechnologien global zu standardisieren und dieses Vorgehen auf breitere Felder auszuweiten.

Bis zum Jahr 2020 soll Japan auf diese Weise vor allen anderen Ländern zum Vorzeigeobjekt für die Anwendung von Roboterdiensten auf verschiedenen Gebieten getrimmt werden. Im wirtschaftlichen Sinne bedeutet dieser Fünf-Jahresplan die doppelte Ausweitung des Robotermarktes in den herstellenden Bereichen sowie eine 20fache Ausweitung in den nicht-produzierenden Bereichen einschließlich Dienstleistungen. Dadurch erhofft sich die Regierung eine Verbesserung der Produktivität auf verschiedenen Gebieten, unter anderem eine mindestens 2%ige Steigerung der jährlichen Arbeitsproduktivität im herstellenden Sektor.

Im Fokus der gezielten Förderungen stehen vor allem Sektoren, die aufgrund der demografischen Bedingungen stark mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben, wie zum Beispiel der Pflege-, Medizin- und Landwirtschaftssektor. Dabei wird auf Automation als Hilfe zur Stärkung kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) sowie von Dienstleistungsbetrieben gebaut, die mehr als 90% der japanischen Unternehmen bzw. mehr als 70% der nationalen Beschäftigung ausmachen. Die Regierung plant in diesem Zusammenhang konkret den Druck auf die Entwicklung kostengünstiger Roboter und Beratungsdienste, um mindestens 500 KMU dabei zu unterstützen, Roboter in den firmeninternen Arbeitsablauf integrieren zu können.

Zusätzliche Regierungsvorhaben

  • Einführung von Robotern auf mindestens 12 Gebieten der Landwirtschaft, einschließlich Obsternte und Unkrautbekämpfung
  • Übertragung von 20% der Inspektions- und Reparaturarbeiten im Zusammenhang mit der Infrastruktur (veraltete Straßen, Brücken u.a.) auf Roboter
  • Generieren von ca. 100 Milliarden Yen (etwa 738 Millionen Euro) Investitionen mittels dieser öffentlich-privaten Bemühungen für die Ausweitung des Marktes auf 2.4 Billionen Yen (ca. 17.7 Milliarden Euro)

In Erwägung gezogene Regulationsänderungen

  • Erweiterung des Umfangs an Maschinen, die unter Versicherungsschutz fallen, um die Nutzung von Pflegerobotern zu erleichtern
  • Beschleunigung des Prüfungsprozesses medizinischer Roboter für eine schnellere Einführung
  • Aussetzen der finalen visuellen Inspektion durch Menschen nach dem Einsatz von Robotern zur Überprüfung verschiedener Infrastrukturen (Tunnel, Brücken, Raffinerien usw.)
  • Neue Arbeitsvorgangsregeln und Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit autonomen Fahrzeugen und Drohnen (z.B. ist die kommerzielle Nutzung von Drohnen im gegenwärtigen Luftfahrtrecht nicht vorgesehen und deren Flughöhe auf max. 150 Meter beschränkt)
  • Hinzufügen zusätzlicher Roboterregularien zu Gesetzen, die den Straßenverkehr, Straßenfahrzeuge und Funk regeln (z.B. ein Verbraucherschutzgesetz, das Regeln zum Umgang mit Unfällen festsetzt, in die autonome Fahrzeuge involviert sind)
  • Schaffung von entregulierten Zonen, in denen Transportdrohnen und autonome Fahrzeuge getestet werden können
  • Aufbau eines Zentrums für technologische Entwicklung durch Anziehung heimischer und ausländischer Unternehmen

Robotik und die Olympischen Spiele in Tôkyô 2020

Ein ganz besonderes Projekt unter den Vorhaben des japanischen Premierministers stellen die geplanten Olympischen Spiele für Roboter im Rahmen der offiziellen Olympischen Sommerspiele in Tôkyô 2020 dar. Premier Shinzo Abe erklärte dazu in einem Interview, dass er am liebsten alle Roboter dieser Welt in Tôkyô versammeln würde, um ihre technischen Fähigkeiten in einem Wettbewerb messen zu lassen. Natürlich steckt dahinter mehr als nur der olympische Gedanke. Für Japan wäre eine solche Veranstaltung die perfekte Möglichkeit, den zu diesem Zeitpunkt ohnehin auf das Land gerichteten globalen Fokus effektiv für die eigenen Ziele zu nutzen und der Welt seine technologische Vorreiterrolle in der Robotik zu präsentieren. Unter diesem Gesichtspunkt wundert es also wenig, dass die neuen Regierungsziele so scheinbar straff auf das Jahr 2020 ausgerichtet sind.

Zusammenfassung

  • Japans demografischer Wandel hat dazu geführt, dass aufgrund von Bevölkerungsalterung und der niedriger Geburtenrate 1. Japaner im Durchschnitt immer älter werden, 2. die Gesamtbevölkerung schrumpft und 3. ein Arbeitskräftemangel entsteht, da vor allem der Anteil der jüngeren, erwerbsfähigen Bevölkerung abnimmt.
  • Die „Neue Industrierevolution angetrieben durch Roboter“ soll sowohl die gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen, als auch für Auftrieb in Industrie und Wirtschaft sorgen.
  • Ziel ist es, Japan bis 2020 weltweit in einer Führungsrolle bezüglich der industriellen Nutzung von Robotern zu etablieren und davon ausgehend globale Standards zu setzen.

Quellen