18. Mai 2015

spido – Die Roboter-Spinne zum Selberbauen

Spinnen sind faszinierende Tiere. Ihnen als Roboter elektronisches Leben einzuhauchen, ist eine nicht ganz einfache Aufgabe. Dank Tino Werner von Variobot kann dies nun jedoch vielleicht bald jeder interessierte Bastler im heimischen Wohnzimmer. spido heißt sein Roboterbausatz, der in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstehen soll.

Selbstprogrammierbare Roboter sind auf dem Vormarsch. Jedoch wird nicht nur deren Technologie zunehmend vielschichtiger, auch die Programmieroberflächen werden immer abstrakter, sodass ein Verständnis für die Funktionsweise der Hardware kaum noch vermittelt werden kann.

Mit der von mir entwickelten Roboterspinne spido ist es dagegen sowohl Schüler/innen als auch Erwachsenen möglich, sich durch den eigenständigen Aufbau und das Experimentieren mit elektronischen Schaltungen einen grundlegenden, spannenden und spielerischen Zugang zur Mechatronik zu verschaffen.

spido von Variobot spido von Variobot © Tino Werner

Die Anatomie dieses Roboterbausatzes habe ich einer echten Spinne nachempfunden, und ebenso wie ihr natürliches Vorbild ist spido in der Lage, sich durch ihr Verhalten auf ihre Umgebung einzustellen: sie kann Hindernissen ausweichen, um Kollisionen zu vermeiden, und Licht oder Gegenständen folgen. Möglich macht dies spidos spezielle Lichtsensorik, die Störgrößen ausblendet und gleichzeitig eine präzise Navigation und Hinderniserkennung erlaubt. Über die variable Verstärkerschaltung ist spido zudem unabhängig von Programmierung und Digitaltechnik steuerbar. Während dabei zahlreiche Steckplätze (z.B. für Widerstände, Dioden oder Kondensatoren) der experimentellen Erforschung verschiedenster Verhaltensmuster dienen, sorgt spidos patentierter Schreitmechanismus für ein anatomisch realistisches Aussehen.

spido ist in meinen Augen der perfekte Bausatz für all diejenigen, die das händische Konstruieren mit elektronischen Bauteilen der reinen Programmierung am Bildschirm vorziehen. Der Vorteil liegt hierbei vor allem in der Fähigkeit, technische Prinzipien und Funktionsweisen wortwörtlich zu „be-greifen“ und die eigenen feinmotorischen Fertigkeiten auf diese Weise spielerisch zu erweitern.

Die Einzelteile von spido Das komplette spido-Kit © Tino Werner

„Ich liebe einfache und unkonventionelle Lösungen“

Was einst mit einer spontanen Idee unter Klassenkammeraden begann, ist heute der Ursprung von VARIOBOT. Im Alter von 17 Jahren fesselte mich die Ideen, eine Roboterspinne zu bauen deren Aussehen und überraschende Verhaltensweise einer Vogelspinne so nahe wie möglich kommt. Ich hatte schon immer gerne autonome mobile Roboter gebaut, stand aber mit diesem Projekt, vor einigen neuen Herausforderungen.

Das ganze sollte nicht viel kosten; ein üblicher Ansatz mit 2 oder 3 Servomotoren pro Bein kam also nicht in Betracht. Stattdessen entwickelte ich einen ausgeklügelten Schreitmechanismus, der es erlaubte jeweils die 4 rechten bzw. linken Beine mit nur einem Motor anzutreiben. Die Besonderheit lag darin, dies anatomisch korrekt in Form von schlanken Spinnenbeinen umzusetzen. Den Körper der Spinne fertigte ich aus Holz, weil ich dieses Material in der Hobbywerkstatt meines Vaters am besten bearbeiten konnte. Die Beine der Spinne konstruierte ich aus Aluminium und die Zahnräder waren von Fischertechnik. Während meiner Kindheit und Jungendzeit hatte ich bereits zahlreiche mobile Roboter aus diesem vielseitigen Konstruktionsspielzeug gebaut. Für mein Spinnenprojekt war es jedoch nicht robust genug. Abgesehen davon, wollte ich Erfahrungen mit anderen Werkstoffen sammeln.

An der technischen Schule der BULME Graz-Gösting konnte ich im Rahmen eines selbst initiierten Projektes die Steuereinheit entwickeln, welche unter anderem zufällige Bewegungen der Spinne generierte. Ohne es vorhersagen zu können, änderte Sie die Laufrichtung oder blieb für unterschiedlich lange Zeit stehen. Zudem bewegte die Spinne auch ihre Taster und den Hinterleib – auch das zufällig. Eine Sensorik mit Infrarotlichtschranken diente der Hinderniserkennung. Bevor die Spinne mit einem Gegenstand kollidierte, blieb sie kurz stehen, trat zurück und drehte am Stand, um danach in eine andere Richtung weiter zu laufen.

Es entstand fast der Eindruck, als hätte man es mit einem intelligenten Lebewesen zu tun. Meine Mutter, die Schneiderin war, half mir dabei ein Fell zu nähen, das dem Roboter das Aussehen einer riesigen Vogelspinne verlieh. Das Modell hatte eine Spannweite von etwa 60 cm.

Fellspinne Spinnen-Robotermodell mit genähtem Fell © Tino Werner

Bei dieser und den darauf folgenden Entwicklungen galt mein Interesse nicht so sehr dem Erfüllen von klar definierten Funktionen, wie es in der Robotik ansonsten der Fall ist. Vielmehr beschäftigte mich die Frage, wann wir Menschen das Verhalten eines Wesens als lebendig empfinden und wie ein solches Verhalten technisch effizient realisiert werden kann, bzw. biologisch zu Stande kommt.

Im Zuge meines Telematik-Studiums lernte ich später die Braitenberg Vehikel kennen. Bei diesen Gedankenexperimenten wird beschrieb, wie mit direkten Verbindungen zwischen Sensoren und den Antriebsmotoren unerwartet komplexe Verhaltensweisen eines künstlichen Wesens entstehen können. Ich war fasziniert von der Einfachheit und der Effektivität dieser Überlegungen und entwickelte und optimierte daraufhin zahlreiche Varianten der Sensorintegration und analogen Signalverarbeitung anhand von simplen fahrenden Robotern mit Lichtsensoren. Nach meinem Studium baute ich eine miniaturisierte Version der Spinne. Dabei gelang es mir, alle Funktionen, die bei der ersten Spinne noch mit aufwändiger Mechanik und unterschiedlichen Steuerschaltungen umgesetzt waren, mit nur wenigen Bauteilen zu realisieren. Beim aktuellen Prototyp spido war es schließlich mein Ziel, die Roboterspinne als Bausatz für Jedermann aufbaubar zu gestalten.

Schwarzes Spinnenmodell Schwarzes Spinnenmodell © Tino Werner

Erst 2013, etwa 20 Jahre nach meinem ersten Spinnenprojektes reifte schließlich der Entschluss, mich mit VARIOBOT selbstständig zu machen, meine ausgereiften Ideen zu patentieren und eine neue Generation von Robotern zu etablieren. Mein Ziel ist es, vor allem Jugendliche nachhaltig für technische Themen und das Selbermachen jenseits der schnelllebigen Welt der Handys und Computer zu begeistern. Auf der anderen Seite kommen auch ältere Semester auf ihre Rechnung, die noch vor der allumspannenden digitalen Revolution aufgewachsen sind. VARIOBOT soll vermitteln, wie man einfache Prinzipien, wie Sie auch in der Natur zu beobachten sind technisch effizient nutzen kann. Bei tibo und spido steckt man das Gehirn quasi selbst aus wenigen Widerständen und Kondensatoren zusammen und bestimmt damit direkt deren Verhalten. Um sich intelligent zu verhalten, benötigen die Roboter also weder Mikrocontroller noch Software. Sie demonstriert eindrucksvoll, wie Lebewesen ohne digitale Rechenpower auskommen.

Ende 2014 war ich stolz, für den tibo-Bausatz als erstes marktreifes Produkt von VARIOBOT die renommierte spiel gut Auszeichnung zu erhalten. Im Moment versuche ich die Realisierung von spido als fertiges Produkt durch Crowdfunding zu finanzieren. Bisher fehlt allerdings noch der Großteil der Mindestsumme von 15.000 €. Auf der Plattform Startnext bietet sich noch bis zum 15. Mai 2015 die Gelegenheit diesen einzigartigen Bausatz vorzubestellen und damit das Projekt zu unterstützen.

Für die Zukunft sind weitere ausgefallene Varianten meiner Roboter-Familie (rollend, schwimmend, fliegend) geplant, sowie ein Buch mit weiterführenden Experimenten. Neben den Ausführungen in Form der Elektronik-Bausätze würde ich die patentierten Technologien auch gerne im Bereich der Baukastensysteme oder Spielwaren verwirklicht sehen und strebe diesbezüglich Kooperationen mit etablierten Herstellern an.

Gastbeitrag von:
Tino Werner, Gründer von Variobot und Entwickler von spido
Ausführliche Informationen: Variobot Homepage, Variobot bei Startnext