16. Oktober 2014

Autonomes Fahren – RoboCar: Ein Abriss

Roboterautos klingen nach Science Fiction und Zukunftsvisionen. Tatsächlich läuft die Entwicklung sogenannter autonomer Fahrzeuge, d.h. Automobile, die ohne jegliche menschliche Einwirkung eigenständig am Verkehr teilnehmen, darauf reagieren und sich entsprechend anpassen, geradezu auf Hochtouren. Sogar Unternehmen, die auf den ersten Blick in diesem Marktsegment fremd erscheinen, lassen sich von dieser beeindruckenden Technologie mitreißen.

Was ist eigentlich Autonomik?

Der Begriff der Autonomik umfasst die Entwicklung menschenunabhängiger, intelligenter Systeme, die nicht nur die Fähigkeit besitzen, sich mit anderen Objekten bzw. Nutzern zu vernetzen und zu interagieren, sondern darüber hinaus eigenständig spezielle Situationen zu erkennen und sich diesen anzupassen. In Deutschland wird die Realisierung einer solchen Autonomik in großem Rahmen beispielsweise im Bereich der industriellen Fertigung angezielt, der später als ‘Industrie 4.0‘ aufgrund intelligenter Fabriken (Smart Factories) eine stark erhöhte Effizienz in Sachen Wandlungsfähigkeit, Ressourcenverwaltung, Ergonomie sowie Kunden- und Partnereinbindung zukommen soll.

Robocar - Selbstfahrendes Auto

Wie passt nun autonomes Fahren in die Vorstellung von Autonomik? Zunächst muss zwischen automatischem und autonomen Fahren unterschieden werden, da automatische Fahrzeuge zwar auf einen internen Fahrzeugführer verzichten können, jedoch immernoch durch menschliches Einwirken gesteuert werden. Die Grundidee autonomer, fahrerloser Fahrzeuge ist dagegen im Sinne der Autonomik das eigenständige und menschenunabhängige Agieren im Straßenverkehr, wie fahren, steuern und einparken, und stellt damit eine signifikante Weiterentwicklung bisher bekannter Fahrerassistenzsysteme dar. Im Fokus steht hier neben einer gesteigerten Effizienz (Zeit, Ressourcen, Kosten usw.) ebenso eine Verbesserung der Sicherheit durch das Ausschließen des Menschen als potenzielle Fehlerquelle, was den Begriff ‚Roboterauto‘ oder ‚RoboCar‘ in diesem Zusammenhang recht gut erklärt.

Funktionsweise des autonomen Fahrens

Mit Hilfe verschiedener Sensoren und Kameras wird es autonomen Fahrzeugen ermöglicht, ihre Umgebung wahrzunehmen und anhand dieser gewonnenen Daten sowohl die eigene als auch die Position anderer Verkehrsteilnehmer zu bestimmen. Im Zusammenspiel mit einem sehr detaillierten Navigationssystem kann so nicht nur das Fahrtziel anvisiert, sondern zugleich eine Kollision mit anderen Fahrzeugen umgangen werden.

Entwicklungsstand

Bereits in den 1950er Jahren träumte der Mensch von elektrischen, sich selbststeuernden Automobilen, in denen er nur noch als eine Art Passagier mitfährt. Dieser Traum scheint sich bereits in naher Zukunft zu erfüllen.

Die Entwicklung voll automatisierter Fahrzeuge, die in speziellen Situationen auf menschliche Einflussnahme verzichten können (auch wenn diese im Notfall durchaus möglich sein soll), ist bereits bei namhaften Firmen in vollem Gange, darunter Volvo, Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen, aber auch scheinbar marktfremde Unternehmen, wie Google, Apple und Intel, die bisher keinerlei Überschneidungen mit Automobilen zeigten, sind ambitioniert in die Forschung und Entwicklung involviert. Ein Hauptgrund für deren signifikante Mitwirkung ist die Rolle computerisierter Bestandteile als Hauptkomponente von Roboterautos. Zahlreiche dieser Technologien sind bereits heute in existierende Autos und Prototypen integriert.

Volvos ‚Drive me‘

Das derzeitig größte, laufende Projekt im Bereich des autonomen Fahrens ist das ‚Drive me – Selbstfahrende Autos für eine nachhaltige Mobilität‘-Programm des schwedischen Autoherstellers Volvo, das im April 2014 mit den ersten Testfahrzeugen in Göteborg startete.
Spätestens ab 2018 sollen hier 100 Volvo-Modelle selbstgesteuert öffentliche Straßen unter alltäglichen Bedingungen befahren. Bisher schlägt sich die hochentwickelte Autopilot-Technologie laut Volvo sehr gut und befähigt die Testfahrzeuge dazu, Straßenverläufen zu folgen, ihre Geschwindigkeit anzupassen und sich in den Verkehr zu integrieren.

Medienstimmen sehen die ersten Testläufe dagegen weniger optimistisch, so handelt es sich bei sämtlichen Sensoren, die für das autonome Fahren benötigt werden, um aus den Serienmodellen bekannte Standardware, die momentan lediglich durch neue Software bereichert wird. Fehlende seitliche Kameras und Sensoren verhindern damit z.B. das Spurenwechseln bzw. Überholen und auch einscherende Autos bereiten den Volvo-Fahrzeugen noch Probleme. Vorerst weitere Einschränkungen bestehen darüber hinaus bei Dunkelheit oder Dämmerung sowie schlechtem Wetter und Schnee. Dass als Teststrecke die Stadtautobahn von Göteborg ausgewählt wurde, hat ebenfalls seine Gründe, denn aufgrund des nicht bestehenden Gegenverkehrs, dem Fehlen von Kreuzungen und der Abwesenheit von Fußgängern lässt sich das Fahren mit Autopilot dort am einfachsten realisieren.

Mercedes testet die historische Bertha-Benz-Strecke

Bei Mercedes-Benz wurde schon 2013 ein ähnlicher Schritt gewagt und im Beisein von Journalisten eine autonome Testfahrt mit historischem Charakter durchgeführt. Mit dem Prototypen ‚Bertha‘, einem S-Klasse-Modell benannt nach Bertha Benz (Frau von Carl Benz), die 1888 die weltweit erste automobile Langstreckenfahrt von Mannheim nach Pforzheim unternahm, kam es hierbei laut Mercedes-Forschungschef zu einer noch nicht in Deutschland dagewesenen Überland- und Stadtverkehrsbefahrung durch ein selbssteuerndes Automobil. ‚Bertha‘ zeigte sich dabei recht souverän, analysierte mit Hilfe von Sensoren ihre Umgebung, passte sich den Geschwindigkeiten an und überholte sogar Radfahrer mit dem notwendigen Sicherheitsabstand.

Schwierigkeiten bereiten jedoch auch bei Mercedes jene Variablen, die unerwartet auftreten oder schlecht einzuschätzen sind, wie z.B. Fußgänger, die noch schnell über die Fahrbahn huschen, kreuzende Radfahrer oder ausscherende Verkehrsteilnehmer. Ähnlich den Volvo-Fahrzeugen wird nämlich auch bei ‚Bertha‘ im Moment zu großen Teilen auf Software zurückgegriffen, die bereits in den Standardmodellen zu finden ist. Als nächstes Ziel steht für Mercedes innerhalb der kommenden Dekade deshalb erst einmal ein Autobahnpilot an, um vielleicht in 15 Jahren den ersten vollfuntkionsfähigen Prototypen vorstellen zu können.

BMW beeindruckt in Las Vegas

Unter den großen Innovatoren in Sachen autonomes Fahren bzw. hochautomatisierte Fahrer-Assistenzsysteme steht auch BMW in nichts nach. Für eine besonders eindrucksvolle Präsentation wurde zunächst die Rennstrecke in Las Vegas in Beschlag genommen. Auf dem künstlich bewässerten Rundkurs zeigte einer der Entwicklungsingenieure schließlich persönlich, was der BMW M235i allein alles leisten kann.

Das bedeutendste Charakteristikum dieses Testfahrzeuges liegt ohne Zweifel in seiner hohen Präzision, mit der es sich zielgerichtet, aber schnell durch den Parcours aus Hütchen, Kurven, Gassen und Hindernissen bewegte. Laut BMW Forschungschef eine Fahrweise, über die selbst geübte Fahrer nicht immer verfügen. Dabei macht sich der M235i mit Hilfe seiner Sensoren pro Sekunde zehnmal ein komplettes Bild von seinem Umfeld. Diese Technologie stellt einen wesentlichen Vorteil im Umgang mit unerwarteten Verkehrssituationen dar, denn ein Insasse muss seinem autonomen Fahrzeug in entsprechenden Fällen vom plötzlichen Anhalten bis hin zum Ausweichmanöver bei hohem Tempo durchaus eine entsprechende Selbsteinschätzung abverlangen können.

Dennoch ist auch BMW noch von einem in allen Situationen in Eigeninitiative gesteuerten Prototypen entfernt. Da die präsentierte Testfahrt zuvor von den Ingenieuren gefahren und im System des Autos gespeichert wurde, stellen sich natürlich Fragen nach alternativen Reaktionsmöglichkeiten, die einem menschlichen Fahrer im Moment wahrscheinlich noch besser von der Hand gehen. Zumindest hat es die Technik des M235i aus dem Forschungsstadium in die Serienproduktion geschafft und wird zwischen 2015 und 2017 in Form eines Ausweichassistenten bereits Bestandteil der Standardmodelle werden.

Und was machen eigentlich die Japaner?

In Japan geht es meistens immer etwas anders zu als hierzulande, da machen auch die Entwicklungen im Bereich autonomes Fahren keine Ausnahme. Kommunikation unter Autos oder ‚Car-to-Car‘-Kommunikation ist beispielsweise beim Unternehmen Toyota das Zauberwort, das im Gegensatz zu Mercedes, BMW & Co. nicht nur auf Sensoren und Kameras baut, sondern seine Automobile gleich selbst zum Empfänger und Sender erhebt. Bei dieser Technik fungieren die entsprechenden Fahrzeuge untereinander ähnlich einem WLAN-Netzwerk. Sie sind einerseits ständig auf der Suche nach einer Verbindung mit einem ‚Partnerauto‘ der gleichen Systemausstattung, andererseits können sie aber ebenso von anderen suchenden Autos gefunden werden, um sich schließlich online zu vernetzen. Auf diese Weise lassen sich Abstände und Geschwindigkeiten im Verkehr als direkte Reaktion auf den Vordermann adaptieren.

Das mit vollständigem Namen als Lexus Automated Highway Driving Assist (AHDA) bezeichnete System ist im Vergleich zu seinen europäischen Konkurrenzsystemen recht spezifisch auf die besonders in japanischen Großstädten hohe Zahl an Pendlern ausgerichtet. Die oberste Zielsetzung gilt dem flüssiger Machen von Staus, so wundert es auch nicht, dass AHDA nur auf Autobahnen funktioniert, sich weder für Fußgänger, noch für Vorfahrtsregularien interessiert und selbst von Ampelkreuzungen und Spurwechseln überfordert ist. Die weltweiten Maßnahmen der Standardisierung und die hochtourigen Abstimmungen mit anderen japanischen Herstellern geben dem Potenzial des Systems allerdings Recht.

Jetzt kommt Google!

Das eigentlich als Internetunternehmen bekannte Google eignete sich bereits im Jahr 2011 ein Patent zur Entwicklung von Technik für autonom betriebene Fahrzeuge an. Zu diesem Zeitpunkt hatte Google schon seit mehreren Jahren Testläufe mit fahrerlosen Autos (Toyota Prius und Audi TT Modelle) durchgeführt, die nach eigenen Aussagen künstliche Intelligenz mit den Google Street View Maps kombinieren und zur Orientierung auf Sensoren und Kameras zurückgreifen. Insgesamt wurden mit diesen Autos bis dato 160.000 Meilen (rund 257.500 km) unter begrenztem menschlichen Einwirken sowie über 1.000 Meilen (rund 1.610 km) gänzlich ohne menschlichen Einfluss zurückgelegt. Es folgte 2012 die erste Zulassung des Staates Nevada für Testfahrten auf öffentlichen Straßen, welche zugleich die erste Zulassung eines autonomes Fahrzeuges in den USA darstellte.

Im Mai 2014 war es dann schließlich soweit: Google präsentierte sein erstes, eigenes Roboterauto. Das spielzeugähnlich anmutende Google Car setzt dabei komplett auf den ‚Fahrer‘ als Passagier und verzichtet in seiner Ausstattung alsgleich auf Lenkrad und Bremspedal. Dass Google damit seine neu erworbene Autohersteller-Konkurrenz sofort in den Schatten stellt, hat wohl niemand wirklich erwartet. Zumindest nach einer umfangreichen Studie der Data Journalism Group, die den Einfluss autonomer Autos analysiert hat, wurde Google im Juli 2014 zum weltweit einflussreichsten Autohersteller, vor Intel, General Motors und Mercedes, gekürt.

Im Gegensatz zur anvisierten Unterstützung beim Autofahren liegen Googles Prioritäten dagegen auf der Entwicklung eines Fortbewegungsmittels, das ähnlich einem Flugzeug keinerlei Eigenbeteiligung der Insassen mehr vorsieht. Vorangegangene Meldungen über die Absicht des Konzerns, Robotertaxis auf den Markt bringen zu wollen, scheinen durch das Google Car zumindest bestätigt. Dass sich Google 2013 mit über 250 Millionen US-Dollar (rund 188 Millionen Euro) beim umstrittenen amerikanischen Taxi-Dienst Uber eingekauft hat, spricht ebenfalls stark dafür.

Aussichten

Prototypen autonomer Fahrzeuge gelten bereits jetzt als wichtiger Technologietrend für 2015 und werden vor allem in den nächsten Jahrzehnten eine signifikante Rolle in Forchung und Entwicklung einnehmen. Wir dürfen gespannt sein, wann die ersten Automobile tatsächlich für den alltäglichen Strassenverkehr zugelassen werden, zumindest ist die rechtliche Lage in diesem Bereich noch nicht eindeutig. Hier bedarf es in jedem Fall noch einer Anpassung an den unaufhaltsamen Fortschritt.

Zusammenfassung

Sich selbst steuernde Fahrzeuge sind mindestens seit den 1950er Jahren ein Bestandteil der Vorstellungen dessen, was der Mensch möglich machen kann
Vor allem der Aspekt erhöhter Sicherheit aufgrund der ausgeschlossenen Fehlerquelle Mensch nähren die hohen Erwartungen
In den letzten Jahren haben nicht nur Autohersteller weltweit vermehrt Bemühungen und Kapital in die Erforschung und Entwicklung solcher Roboterautos investiert
Besonders erfolgreich sind derzeit namhafte Unternehmen, wie Volvo, Mercedes, BMW und Toyota
Auch Google und andere Internetunternehmen haben schon früh das Potenzial der zunehmend computerisierten Fahrtechnologie erkannt und stehen den Autoherstellern dabei in ihren Anstrengungen in nichts nach.


Quellen: