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Wie Drohnen und Roboter die Kriegsführung in der Ukraine verändern

von Roboterwelt Redaktion 14. Juli 2025
Wie Drohnen und Roboter die Kriegsführung in der Ukraine verändern

Der Ukrainekrieg hat sich zum realweltlichen Labor für die Integration autonomer Systeme in militärische Operationen entwickelt. Drohnen, bodengebundene Roboter und KI-gestützte Systeme revolutionieren nicht nur die taktische Gefechtsführung, sondern beeinflussen strategische Paradigmen ganzer Streitkräfte. 

Der Ukrainekrieg als technologisches Testfeld militärischer Innovation

Seit Beginn der umfassenden Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich das Konfliktgeschehen zu einem dynamischen Schauplatz neuer militärischer Technologien entwickelt. Drohnen aller Kategorien, unbemannte Bodenfahrzeuge und KI-gestützte Assistenzsysteme zeigen, wie stark Kriegführung heute bereits automatisiert und datengetrieben funktioniert. 

Dieses Konfliktumfeld wirkt wie ein Katalysator für Entwicklungen, die bislang experimentell oder prototypisch galten und nun operativ im Feld angewandt werden. Dabei begegnen sich Hightech-Lösungen und improvisierte Basteleien direkt auf dem Gefechtsfeld. 

Drohnentechnologie: Sensor, Waffe und Taktikträger

Einsatzszenarien und Typen

Im Ukrainekrieg etabliert sich ein breites Spektrum an Drohnenarten mit spezifischen Funktionen: 

DrohnentypHauptfunktionHerkunft/Verwendung
DJI Mavic, Autel & Co.Aufklärung, ZielmarkierungKommerziell / Ukraine & Russland
Bayraktar TB2Langstrecken-Aufklärung, PräzisionsangriffeTürkei / Ukraine
Switchblade, Lancet, Shahed-136Kamikaze-Angriffe (Loitering Munition)USA, Russland, Iran
FPV-Drohnen (selbst gebaut)Direktangriffe im TiefflugUkraine (freiwillige Gruppen)

Die Vielfalt in Anwendungsbereich und technischer Komplexität ermöglichte erstmals den weitreichenden Einsatz ziviler Drohnentechnik in regulären militärischen Operationen. 

Taktische Vorteile durch Drohnennutzung

Drohnen liefern unmittelbare operative Vorteile: 

  • Gesteigerte Aufklärungsreichweite in Echtzeit mit geringer Latenz 

  • Direkte Zielzuweisung und präzise Sichtung gegnerischer Stellungen 

  • Kosteneffizienz gegenüber bemannter oder gepanzerter Technik 

  • Flexibilität in schwierigem Terrain und urbanem Raum 

Die ständige Präsenz von Drohnensensorik erzeugt eine psychologische Wirkung, die das Verhalten auf dem Gefechtsfeld entscheidend verändert. 

Eigenproduktion und Innovationsdruck

Angesichts exportrechtlicher Beschränkungen entwickeln sich lokale Produktionsinitiativen schnell weiter. Im Jahresziel der Ukraine für 2024 steht die Fertigung von über einer Million Drohnen. Technologische Schwerpunkte liegen dabei auf: 

  • GPS-unabhängiger Navigation (z. B. visuelle Marker, Trägheitsdaten) 

  • Schwärmeinsatz kleiner Drohnen mit geteiltem Lageverständnis 

  • KI-gestützter Objekterkennung für semi-autonome Zielwahl 

Zentrale Akteure sind dabei nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch Softwareunternehmen, Universitäten und zivilgesellschaftliche Technikcommunities. 

Bodenroboter: Assistenz in gefährdeten Zonen

THeMIS als taktischer Unterstützungsroboter

Die THeMIS-Plattform von Milrem Robotics gilt als Pionier für den Einsatz unbemannter Bodenfahrzeuge (UGVs) auf dem modernen Gefechtsfeld. Ihr modulares Design erlaubt Konfigurationen für: 

  • Verwundetentransport unter Beschuss 

  • Nachschub in schwer erreichbare Positionen 

  • Waffenträgersysteme mit Fernbedienung 

Im Ukrainekrieg wird THeMIS primär zur Evakuierung und Versorgung eingesetzt. Integration in Kampfhandlungen erfolgt selektiv und ist von Kommunikationsbedingungen abhängig. 

Weitere UGV-Lösungen im Kriegsverlauf

Neben THeMIS sind folgende Systeme gegenwärtig im Einsatz oder in Entwicklung: 

  • Ukrainische Eigenentwicklungen wie „Rys“ – kleinere Logistikfahrzeuge 

  • Russische Varianten wie „Uran-9“ – mit begrenzter operativer Relevanz 

  • Testsysteme mit autonomen Patrouillier-Funktionen in abgesperrtem Terrain 

Probleme bestehen vor allem in der Navigation durch ruiniertes Terrain sowie in der Verwundbarkeit durch elektronische Störungen. 

Stärken und Schwächen unbemannter Bodenplattformen

Stärken: 

  • Schutz von Menschenleben bei Hochrisikooperationen 

  • Überwindung körperlicher Belastungsgrenzen der Soldaten 

Schwächen: 

  • Hohe Kosten im Betrieb 

  • Eingeschränkte Nutzbarkeit außerhalb definierter Zonen 

  • Anfälligkeit für Jamming und Ausfall bei Kontrollverlust 

Insgesamt steht der technologische Reifegrad von UGVs noch hinter dem der UAVs zurück. Fortschritte werden erwartet durch Verbesserungen in autonomer Navigation und Energieversorgung. 

Elektronische Kampfführung im Hochtechnologiekonflikt

Ein signifikanter Teil der kriegstechnologischen Evolution zeigt sich in der elektronischen Ebene. GPS-Störungen, Funkunterbrechung, Netzwerkanalyse und Drohnenabwehr sind zentrale Aktionsfelder. 

Beide Seiten investieren massiv in Gegenmaßnahmen, darunter: 

  • Hochfrequenz-Störsender gegen Steuerfrequenzen 

  • Mikrowellen-Waffen zum Neutralisieren von Sensorik 

  • Netzwerfer und Maschinenkanonen mit automatischem Zieltracking 

Diese technische Eskalation führt zu einem raschen „Technologiedarwinismus“, bei dem Innovationen ständig auf neue Verteidigungsreaktionen treffen. 

Internationale Technologietransfers und geopolitische Rahmung

Strategisch relevant ist auch der massive Know-how-Transfer durch westliche Partner. Unterstützungsmaßnahmen umfassen: 

  • Lieferung moderner Drohnen durch NATO-Staaten 

  • Ausbildung ukrainischer Einheiten im Ausland 

  • Kollaborative Entwicklung KI-gestützter Verteidigungssysteme 

Internationale Beachtung findet zudem die Frage, wie weit die Autonomisierung militärischer Systeme voranschreiten darf. Der zunehmende Einsatz von „Fire-on-the-loop“-Systemen hebt die Frage nach menschlicher Kontrolle gegenüber maschineller Entscheidung auf eine neue ethische Ebene. 

Diskutiert werden völkerrechtliche Normen, etwa im Rahmen der VN-Übereinkünfte zu Lethal Autonomous Weapons Systems (LAWS). Initiativen für verbindliche Regelwerke gewinnen an Relevanz. Fragen sind unter anderem: 

  • Wie kann menschliche Verantwortung rechtlich gesichert bleiben? 

  • Welche Schwellenwerte für Autonomie sind vertretbar? 

  • Welche auditierbaren KI-Standards sind durchsetzbar? 

Fazit: Krieg zwischen Algorithmen und Asymmetrien

Der Ukrainekrieg hat die militärische Landschaft nachhaltig verändert. Insbesondere Drohnen demonstrieren, wie disruptive Technologien klassische Überlegenheitskonzepte aushebeln können. Die Fähigkeit, mit günstiger, adaptiver Technik strategische Effekte zu erzielen, zeigt eine neue Form asymmetrischer Kriegsführung. 

Robotik und Künstliche Intelligenz verschieben dabei die taktischen und operativen Abläufe auf beispiellose Weise. Dennoch markieren aktuelle Systeme keine Endpunkte, sondern Übergänge in ein kriegstechnologisches Zeitalter, in dem Anpassungsfähigkeit, Interoperabilität und Resilienz entscheidend sind. 

Für militärische Planung, Sicherheitsforschung und internationale Regulierung ergibt sich daraus die Notwendigkeit, technische Innovationen konsequent mit ethischer und operativer Reflexion zu verbinden. 

Zusammenfassung
  • Glühbirne

    Der Ukrainekrieg funktioniert als Beschleuniger für neue Technologien im militärischen Feld – insbesondere bei Drohnen und Robotersystemen. Drohnen liefern taktische Vorteile wie Echtzeit-Aufklärung und asymmetrische Schlagkraft. Bodenbasierte Roboter wie THeMIS kommen bevorzugt im Logistikbereich zum Einsatz, sind jedoch technisch noch begrenzt. Zugleich gewinnt der Wettstreit im Bereich der elektronischen Kampfführung an Dynamik. Internationale Systemeinstufungen und ethische Debatten rund um autonome Waffensysteme rücken zunehmend in den Fokus. 

Autoren
  • Roboterwelt Redaktion Roboterwelt Redaktion