29. April 2015

Innovative Surgical Robotics Forum, Teil 3: Im Gespräch mit Prof. Kaspar Althoefer vom King’s College London

Auf dem Innovative Surgical Robotics Forum in London haben wir uns mit Prof. Kaspar Althoefer unterhalten, der uns als einer der Initiatoren und Veranstalter interessante Einblicke in die chirurgische Robotik, aber auch sein eigenes EU-Projekt STIFF-FLOP gegeben hat.

Dana Neumann: Professor Althoefer, sind Sie mit bestimmten Erwartungen an diese Veranstaltung gegangen?

Prof. Althoefer: Ja. Was mich besonders gefreut hat, ist, dass wir in der Lage waren, es so zu organisieren, dass wir Experten aus verschiedenen Gebieten dabei hatten, also erstens der Medizin, zweitens dem Engineering und drittens der Industrie. Und gerade den dritten Punkt finde ich sehr interessant. Es kam, glaube ich, auch bei den heutigen Gesprächen schon heraus, dass es sehr wichtig ist, wenn man am Ende ein Produkt erreichen möchte. Dann muss man eben auch die Industrie mit ins Auge fassen und den Markt.

Dana Neumann: Die Industrie war in diesem Jahr zum ersten Mal dabei?

Prof. Althoefer: Die Industrie in dem Maße, ja zum ersten Mal.

Dana Neumann: Sind Sie zum jetzigen Stand zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung?

Prof. Althoefer: Mit der Konferenz bin ich bei allem sehr zufrieden. Wir haben ein gutes Feedback von allen bekommen. Ich habe auch gerade noch mit Herrn Solleder gesprochen von Karl Storz, dieser ist sehr interessiert an den verschiedenen Technologien, die hier vorgestellt werden, und er hat auch noch einmal bestätigt, wie wichtig es ist, dass man die Mediziner mit an Bord hat, weil diese einem auch genau sagen können, was gebraucht wird und was nützlich ist. Nicht, dass man als Ingenieur etwas entwickelt, von dem man träumt bzw. von dem man denkt, dass es nötig wäre, aber letztendlich gar nicht in die richtige Richtung geht.

Dana Neumann: Sie sind ja Professor am King’s College in London, das diese Konferenz ausrichtet. Geht das College gemessen am technologischen Fortschritt mit seinem Lehrplan in die gleiche Richtung oder besteht hier Aufholbedarf?

Prof. Althoefer: Wir haben Mechatronics-Kurse und Robotics-Kurse, und ich spreche dabei von Kursen für Undergraduate Students, Postgraduate Students und Master Students – in Deutschland gibt es jetzt ja auch die Bachelor- und die Masterprogramme. Unsere Kurse sind im Allgemeinen fokussiert auf Mechatronics und Robotics. Wir haben also kein spezielles medizinisch-robotisches Programm; allerdings bieten wir seit kurzem, Lehrprogramme in Medical Engineering an. Wir haben auch einige Doktoranden am King’s College, die in der chirurgischen Robotik arbeiten. Dabei handelt es sich um eine einigermaßen große Gruppe, die auf verschiedenen Gebieten tätig ist. STIFF-FLOP ist beispielsweise ein großes Programm, an dem auch einige von ihnen mitarbeiten.

Dana Neumann: Ich verstehe. Lässt sich denn im Bereich chirurgischer Robotik von einem spezifischen Vorteil gegenüber der „menschlichen“ Chirurgie sprechen?

Prof. Althoefer: Ja, auf jeden Fall. Das wurde ja auch heute vorgetragen. Die drei Schritte, die man im Prinzip sehen kann, sind erstens die Open Surgery, also die offene Chirurgie, bei der die Chirurgen mit ihren Händen arbeiten. Das hat sich jetzt natürlich im zweiten Schritt entwickelt hin zur laparoskopischen Chirurgie, bei der nur kleine Einschnitte erfolgen, durch die Instrumente eingeführt werden. Dabei gibt es verschiedene Tools, wie Kameras, Greifwerkzeuge, Schneidegeräte, Instrumente zum Wundverschluss, Klammerapparate usw., und der dritte Schritt ist dann sozusagen die Robotik. Diese führt im Prinzip den laparoskopischen Ansatz weiter. Der Roboter nimmt sozusagen die laparoskopischen Geräte in die Hand und unterstützt den Chirurgen, wenn er seine Operation ausführt. Der Hauptpunkt dabei ist, wenn man sich die heutigen Robotikgeräte anschaut, wie daVinci zum Beispiel, dass diese viel intuitiver sind. Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt, wenn es darum geht, was die Robotik momentan bereitstellt. Es wird den Chirurgen einfacher gemacht. Sie sitzen an einer Konsole, haben eine gute Sicht und ein sehr gutes Eingabegerät und können diese Instrumente viel einfacher kontrollieren, als es vorher möglich war.

Dana Neumann: Man kann also sagen, dass die Robotik den logischen nächsten Schritt darstellt, der in diesem Bereich gegangen wurde?

Prof. Althoefer: Im Falle des daVinci-Systems (Anmerk. d. Red: DaVinci ist ein Chirurgiesystem mit Roboterplattform, das im Bereich offener und minimalinvasiver Chirurgie eingesetzt wird.) würde ich das auf jeden Fall sagen. Evolution ist hier, glaube ich, das richtige Wort.

Interview mit Prof. Kaspar Althoefer Prof. Kaspar Althoefer und Roboterwelt-Redakteurin Dana Neumann ©Roboterwelt

Dana Neumann: Können Sie für unsere Leser noch einmal in einfachen Worten zusammenfassen, worum es sich bei Ihrem EU-Projekt STIFF-FLOP genau handelt?

Prof. Althoefer: Ja gern. STIFF-FLOP versucht jetzt noch einen Schritt weiter zu gehen. Der Hauptpunkt, den wir angreifen wollen, ist, dass wir uns wegbewegen von dem Standardroboter, der steife Arme hat und steife Verbindungsteile. Wir wollen etwas kreieren, das soft ist, flexibel, und aus diesem Grunde auch sicher für den Patienten oder sicherer als bisher. Einen Roboter also, der im Prinzip wie ein Oktopus in der Lage ist, in den Körper hinein und um ein Organ herum zu gehen und Operationen in Gebieten auszuführen, die vorher nicht erreicht werden konnten. Das ist der wichtigste Punkt unseres Projektes.

Dana Neumann: Können Sie noch genau festmachen, woher die Idee kam, sich dafür an Oktopussen oder auch Elefantenrüsseln zu orientieren?

Prof. Althoefer: Beide Gebiete sind für uns interessant, also allgemein die Biologie. Die Idee war, wirklich etwas zu schaffen, das weich ist und nicht so rigide wie die Systeme, die wir momentan sehen. Da ist der Oktopusarm eben ein sehr gutes Beispiel, weil der Oktopus kein Skelett hat, d.h. keine Knochen, und trotzdem in der Lage ist, die Muskeln anzuspannen und die Arme zu versteifen, wenn es nötig wird. Diese Kombination, diese Verwandlung, die möglich ist, von weich in steif, war für uns sehr interessant. Daher kam dann die Idee und das versuchen wir nun zu übertragen auf unsere chirurgische Robotik.

Dana Neumann: Sie hatten, gestern glaube ich war es, das letzte Review-Meeting zu ihrem Projekt. Wie ist es gelaufen?

Prof. Althoefer: Es war nicht wirklich das letzte Review-Meeting, es war das dritte Meeting. STIFF-FLOP ist ein Vierjahresprojekt, d.h. wir haben jetzt das dritte Jahr abgeschlossen und das Review-Meeting gestern ist sehr gut gelaufen. Also die Reviewers waren sehr zufrieden, es ist ja ein EU-Projekt, und jedes Jahr werden diese Projekte sozusagen geprüft. Wir schauen jetzt voraus auf das letzte Jahr und versuchen weiter, die verschiedenen Elemente zu integrieren und hoffen damit Ende des Jahres erfolgreich abschließen zu können.

Dana Neumann: Wie sieht der Abschluss aus? Ist ein weitverbreiteter Einsatz von STIFF-FLOP geplant bzw. wie genau wird das Endprodukt aussehen?

Prof. Althoefer: Bei der Entwicklung von medizinischen Geräten besteht immer das Problem, dass man Geld für einen gewissen Zeitraum hat. Aber normalerweise reicht dieser Zeitraum nicht aus, um die Idee soweit zu entwickeln, dass man sie direkt klinisch anwenden kann. Wir haben jetzt drei Jahre gearbeitet und werden vier Jahre insgesamt haben. Da der Startpunkt aber so „blue sky“ war, so fundamental, können wir am Ende wirklich nur sagen, dass wir ein Konzept entwickelt haben. Wir können jetzt schon zeigen, dass das Konzept gut ist und das wird auch unser Abschluss sein. D.h. wir haben die Grundlagen gelegt und was natürlich danach kommen muss, ist weitere Forschung und vor allen Dingen Entwicklung, um dann wirklich eines Tages Roboter zu haben, die weich sind und auch für die Chirurgie benutzt werden können.

Dana Neumann: Verbleibt dann die weitere Entwicklung mit dem Ende des Projektes wenigstens zum Teil in Ihren Händen oder muss diese abgegeben werden?

Prof. Althoefer: Das kommt auf die Bereitstellung von Mitteln an. Wir schauen uns natürlich weiter um, um zu sehen, ob wir Geldmittel zur Weiterführung der Forschung bekommen können, aber das muss man abwarten. Das wäre selbstverständlich schon gut, es wäre sehr interessant für uns, aber das ist eben nicht garantiert.

Dana Neumann: Prof. Althoefer, haben Sie vielen Dank für das Interview.

Kaspar Althoefer ist Professor für „Robotics and Intelligent Systems“ und Leiter des „Centre for Robotics Research (CoRe)“ am King’s College in London. Seine Forschungsinteressen gelten taktilen und Druckmeßsensoren für medizinische Anwendungen, der miniaturisierten, auf optischen Fasern basierten Abtastung, Medizinrobotik,  elastischen und Kontinuumrobotern sowie der Analyse und Klassifizierung von Neuro-Fuzzy-Sensorsignalen. Darüber hinaus betreut Prof. Althoefer das EU-Projekt STIFF-FLOP.