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Autonome Unkrautbekämpfung: Wie KI und Roboter den Bio-Gemüsebau revolutionieren

von Roboterwelt Redaktion 26. Juli 2025
Autonome Unkrautbekämpfung: Wie KI und Roboter den Bio-Gemüsebau revolutionieren

Im Projekt AMUN entsteht ein hochpräzises, automatisches System zur mechanischen Unkrautentfernung – ganz ohne Chemie. KI, Echtzeitbildverarbeitung und autonome Robotik sollen ökologische Landwirtschaft wirtschaftlich tragfähiger machen. 

Unkrautregulierung im Wandel: Warum Bio-Gemüse neue Technologien braucht

Der ökologische Anbau von Gemüse setzt klare Grenzen bei der Unkrautbekämpfung: Chemische Mittel sind tabu, der manuelle Aufwand hoch. Vor allem in feingliedrigen Gemüsebeständen wie Möhren oder Salat ist die Entfernung von Zwischenreihenunkraut maschinell möglich, das Entfernen direkt in der Pflanzenreihe jedoch eine hohe Kunst. 

Bisherige mechanische Verfahren stoßen hier oft an Grenzen. Herkömmliche Hackgeräte arbeiten zu grob oder ungenau. Menschen erledigen diese Arbeit bislang mit der Hand – kostenintensiv, zeitaufwendig und zunehmend unattraktiv bei wachsendem Fachkräftemangel. 

AMUN: Präzision durch Integration von Robotik und KI

Das Projekt AMUN (Automatische mechanische Unkrautbekämpfung im Bio-Gemüsebau) entwickelt ein autonomes System, das diese Schwachstellen adressiert. Koordiniert vom IMES der Leibniz Universität Hannover zielt das Vorhaben auf ein gesamtheitlich robotisiertes Bearbeitungssystem für Gemüsefelder. 

Kernbereiche des Systems: 

  • Pflanzenklassifikation in Echtzeit mittels Deep Learning 

  • Hochpräzise Aktuatoren zur selektiven Unkrautentfernung innerhalb der Pflanzenreihe 

  • Autonome Navigation in reihenengen Beständen bei variierender Bodenbeschaffenheit 

Die Besonderheit: AMUN setzt vollständig auf mechanische Verfahren – relevant für alle, die dem Bio-Standard verpflichtet sind und nachhaltige Produktion priorisieren. 

Technische Basis: Echte Autonomie am Feldrand

Bildverarbeitung und Pflanzenklassifikation

Zur Unterscheidung von Nutzpflanzen und Unkräutern nutzt das System Convolutional Neural Networks. Diese Algorithmen lernen anhand umfangreicher Bilddatensätze, selbst in frühen Wachstumsstadien präzise zu differenzieren. Dadurch wird punktgenaues Eingreifen möglich – für jedes einzelne Blatt. 

Methoden wie Transfer Learning oder Few-Shot-Learning erhöhen dabei die Adaptionsgeschwindigkeit an neue Kulturarten oder Unkrauttypen. Der Einsatz hyperspektraler Sensorik ist perspektivisch vorgesehen, um auch chlorophyllarme Pflanzen zuverlässig zu identifizieren. 

Aktorik im Pflanzenbestand

Nach erfolgter Identifikation kommt der Eingriff: Miniaturisierte Hackelemente oder thermische Applikatoren bearbeiten punktuell die erkannte Zielpflanze. Dabei ist modulare Flexibilität entscheidend, um verschiedene Techniken je nach Kultur, Witterung und Bodenzustand kombinieren zu können. 

Ziel ist nicht bloße Unkrautentfernung, sondern pflanzenschonende, adaptive Bearbeitung im Zentimeterbereich – auch bei wechselnden Feldbedingungen. 

Für die autonome Bewegung des Systems werden GPS-RTK, LiDAR und Visual Mapping kombiniert. Die Herausforderung liegt in der zuverlässigen Orientierung bei engen Reihenabständen, unebenen Oberflächen und natürlichen Hindernissen wie Bewässerungsschläuchen oder Steinen. 

Benchmark-Systeme wie der FarmDroid oder Naïo Dino liefern wichtige Erfahrungswerte – AMUN geht jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: durch die vollständige mechanische Bearbeitung mit pflanzenindividueller Zielsteuerung. 

Vergleich ausgewählter Systeme

SystemKulturarten geeignetMechanischAutonomBiotauglichIntra-Reihen-Bearbeitung
FarmDroid FD20GetreideJaJaEingeschränktNein
Naïo DinoSalat/KohlJaJaJaEingeschränkt
RobottiFlexibelOptionalJaEingeschränktNein
AMUN (in Entwicklung)Gemüse (präzise)JaJaJaJa

Perspektiven für Ökonomie und Ökologie

Direkte Vorteile

  • Deutliche Reduktion manueller Arbeitsstunden 

  • Frühzeitige Unkrautregulierung ohne chemische Mittel 

  • Mehr Gleichmäßigkeit, bessere Kulturqualität 

  • Schonung von Bodenstruktur und Mikrobiodiversität 

Langfristiges Potenzial

  1. Skalierbarkeit für größere Anbauflächen 

  2. Adaptierbarkeit für unterschiedliche Kulturarten 

  3. Zertifizierungsfähigkeit durch dokumentierte Bearbeitung 

Das System zahlt auf zentrale Ziele ein: rentablerer Bioanbau, resilientere Anbausysteme und höhere Nachhaltigkeit – ohne Kompromisse bei Qualität oder Konsumentenanspruch. 

Herausforderungen auf dem Weg zur Praxisreife

Trotz des technologischen Fortschritts sind noch einige Hürden zu nehmen: 

  • Umgang mit Wetterschwankungen und Lichtverhältnissen 

  • Aktuatoren mit höherer Feinfühligkeit und Reaktionsgeschwindigkeit 

  • Ökonomische Umsetzung in kleinteiligen Betriebsstrukturen 

  • Kontinuierliches Nachtrainieren für neue Unkrautarten 

Dabei zeigt sich: Die Integration von KI-Systemen in reale Umweltbedingungen ist komplex – doch der Trend spricht dafür, dass Lösungen wie AMUN in den nächsten Jahren marktfähig werden könnten. 

Fazit: Wegweiser für nachhaltige Hightech-Landwirtschaft

Mit AMUN formt sich eine Schlüsseltechnologie für den ökologischen Gemüsebau. Die Kombination aus KI, autonomen Robotern und modularer Mechanik ebnet den Weg zu einem neuen Standard in der Unkrautregulierung. 

Zukünftige Entwicklungen mit Relevanz: 

  • Aufbau domänenspezifischer Bilddatenbanken für Training und Transfer 

  • Integration mit Precision-Farming-Plattformen und Wetterdaten 

  • Edge-KI zur Verarbeitung direkt auf dem Feld 

  • Kombination mit Fernerkundung zur Feldüberwachung 

Das Potenzial des Projekts reicht weit über den Gemüsebau hinaus – es steht exemplarisch für die Schnittstelle zwischen Spitzentechnologie und ökologischer Praxis. 

Zusammenfassung
  • Glühbirne

    AMUN entwickelt eine autonome, KI-gestützte Lösung für die mechanische Unkrautbekämpfung im Bio-Gemüsebau. Das System kombiniert Deep Learning, präzise Aktuatoren und GPS-basierte Navigation für eine effiziente, bodenschonende Bearbeitung innerhalb der Pflanzenreihe. Es verspricht eine drastische Reduktion von Handarbeit, ökologische Vorteile und eine Verbesserung der Kultursicherheit – ein Meilenstein für die technologische Zukunft der Biolandwirtschaft. 

Quellen
  1. Entwicklung eines automatischen Systems zur präzisen, mechanischen Unkrautbekämpfung im Bio-Gemüsebau (AMUN) https://www.imes.uni-hannover.de/
  2. AMUN Entwicklung eines automatischen Systems zur präzisen, mechanischen Unkrautbekämpfung im Bio-Gemüseanbau https://www.hortisustain.de/projekte/if/amun
Autoren
  • Roboterwelt Redaktion Roboterwelt Redaktion