Wie humanoide Roboter die Produktion bei BMW revolutionieren
von Roboterwelt Redaktion 13. Oktober 2025
Die BMW Group integriert humanoide Roboter in die Automobilfertigung – ein wegweisender Schritt, um Ergonomie, Flexibilität und Produktionsresilienz zu steigern. Der industrielle Einsatz von Figure 01 verspricht eine Transformation klassischer Automatisierung hin zu kognitiven Fertigungsumgebungen. Was steckt dahinter?
Fortschritt durch Mensch-Roboter-Interaktion
Produktionslinien in der Automobilindustrie stehen unter wachsendem Druck: steigende Variantenvielfalt, individualisierte Kundenwünsche und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellen etablierte Abläufe infrage. Die BMW Group begegnet dieser Herausforderung mit einer strategisch durchdachten Erweiterung ihres Automatisierungsportfolios um humanoide Roboter.
Im Werk Spartanburg kommt mit dem „Figure 01“ erstmals ein Roboter zum Einsatz, der nicht mehr nur stur Befehle abarbeitet, sondern flexibel auf Situationen reagieren kann. Diese Entwicklung markiert den Übergang von vordefinierter Automatisierung hin zu lernfähigen Assistenzsystemen mit anthropomorpher Form.
Die Verbindung von künstlicher Intelligenz, fortschrittlicher Sensorik und menschenähnlicher Beweglichkeit erlaubt es humanoiden Robotern, komplexe Aufgaben in bestehenden Produktionsumgebungen zu übernehmen – ohne teuren Umbau oder Verlagerung von Arbeitsschritten.
Technologische Basis: Der Figure 01 im Überblick
Der von Figure AI entwickelte Roboter bewegt sich autonom durch das Werk, interagiert mit Objekten und erkennt visuelle und akustische Reize. Sein Bewegungsapparat ist auf maximale Adaptivität ausgelegt.
Eigenschaft | Technische Spezifikation |
---|---|
Höhe | ca. 170 cm |
Gewicht | 60–70 kg |
Zuladung | bis 20 kg |
Betriebszeit | ca. 5 Stunden (Lithium-Ionen-Akku) |
Steuerung | KI-basiert (RL, CV, NLP Modelle) |
Einsatzbereiche | Logistik, Verpackung, Materialfluss, QC |
Das System nutzt Deep Reinforcement Learning und neurale Netzwerke, um aus Erfahrung zu lernen. Computer Vision und Sprachverarbeitung ermöglichen eine kontextbezogene Interaktion – ein entscheidender Vorteil in offenen, dynamischen Umgebungen wie der Endmontage.
Neue Flexibilität im Fertigungstakt
Klassische Industrieroboter sind für Hochvolumenproduktion prädestiniert, erfordern jedoch aufwendige Programmierung und fixierte Aufgabenstellungen. Humanoide Roboter brechen diesen Paradigmenwechsel auf.
Vorteile humanoider Roboter in der Produktion:
Anpassung an bestehende Infrastruktur ohne Umbauten
Einsatz bei wechselnden Prozessen und Produktvarianten
Integration in modulare Fließfertigungen und Mixed-Model-Lines
Verkürzte Inbetriebnahmezeiten bei neuen Produktionszellen
Betrieblich resultiert daraus eine bislang unerreichte Beweglichkeit in der Gestaltung hybrider Fabrikkonzepte – eine Fähigkeit, die für Premiumhersteller mit Losgröße-1 Herausforderungen besonders wertvoll ist.
Ergonomie und Mitarbeiterentlastung
Zentrale Motivation für BMW ist neben der Effizienzsteigerung auch der Gesundheitsschutz. Tägliche Hebe-, Trage- oder Überkopfarbeiten belasten das menschliche Muskel-Skelett-System.
Durch gezielten Robotereinsatz an diesen ergonomischen Belastungspunkten lässt sich das Risiko für Erkrankungen oder Ausfälle messbar senken. Die Maschinen agieren dabei als Assistenzsysteme – nicht als Ersatz.
Typische Aufgaben humanoider Roboter im Werk:
Palettieren und Depalettieren von Komponenten
Transport schwerer Materialkisten in der Intralogistik
Visuelle Qualitätsprüfungen während des Produktionslaufs
Unterstützung bei Vormontagen und Verpackung
Wichtige Voraussetzung: Roboterbewegungen müssen berechenbar und sicher für die Umgebungsmenschen sein. Hier kommt MRK-zertifizierte Sensortechnik zum Tragen, die jede Interaktion dynamisch absichert.
Demografie und Produktion im Gleichschritt
Mit dem altersbedingten Ausscheiden erfahrener Fachkräfte nimmt der Automatisierungsbedarf auch in qualifikationsintensiven Bereichen zu. Allein im Logistikbereich rechnet die Branche mit einem strukturellen Arbeitskräftedefizit von rund 20 Prozent bis 2030.
Statt ineffizienter Notlösungen im Personalmanagement setzt BMW auf intelligente Robotik als nachhaltige Antwort. Die Investition in humanoide Systeme ist hier auch eine Investition in Produktionssicherheit und Standortstabilität.
Herausforderungen auf dem Weg zur Skalierung
Trotz des vielversprechenden Potenzials liegt der großflächige industrielle Durchbruch humanoider Roboter noch vor uns.
Offene Fragestellungen in Forschung und Integration:
Wie lassen sich KI-Systeme robust gegen Produktionsstörungen trainieren?
Welche Sicherheitsrichtlinien gelten für mobile humanoide Einheiten in offenen Werksstrukturen?
Ab welcher Stückzahl rechtfertigt sich der Invest?
Wie gelingt die betriebliche Akzeptanz – besonders in Belegschaften?
Gerade letzterer Punkt ist entscheidend. Mensch-Roboter-Kollaboration wird nur dann zum Erfolgsmodell, wenn Vertrauen und Transparenz im gesamten Veränderungsprozess aufgebaut werden – ein Aspekt, den BMW aktiv verfolgt.
Von der Pilotierung zum industriellen Standard?
Das Werk Spartanburg ist Testumgebung für ein zukünftiges Produktionsbild, das Automation, Kognition und Menschlichkeit vereint. Die dort gesammelten Erkenntnisse sollen Aufschluss darüber geben, in welchen Produktionsbereichen ein Rollout humanoider Roboter ökonomisch und operativ sinnvoll ist.
Langfristig eröffnet sich damit der Weg zu „Zero-Touch-Factories“, in denen physische Routinetätigkeiten durch lernfähige Systeme übernommen werden. Der Mensch wird dabei als Gestalter, Kontrolleur und Innovator der robotischen Systeme neu verortet – mit Fokus auf Qualität, Prozessintelligenz und Nachhaltigkeit.
Fazit: Der Wandel beginnt greifbar zu werden
Der Einsatz humanoider Roboter durch die BMW Group markiert mehr als einen technologischen Fortschritt – er repräsentiert eine strategische Neuausrichtung industrieller Produktion. Durch Synergien zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Arbeitskraft entsteht eine neue Form produktiver Zusammenarbeit.
Noch steht die Technologie am Anfang ihrer betrieblichen Reife. Doch die systematische Erprobung und wissenschaftlich begleitete Integration schaffen ein wertvolles Fundament – nicht nur für BMW, sondern für die gesamte Industrie.
Wer heute testet, gestaltet morgen. Die Zukunft der Fertigung wird nicht nur autonomer, sondern auch menschlicher.
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Humanoide Roboter wie der Figure 01 von Figure AI werden bei BMW erstmals in einer realen Produktionsumgebung getestet. Ziel ist es, körperlich belastende, monotone Aufgaben zu automatisieren und gleichzeitig die Flexibilität der Fertigung zu steigern. Durch KI-Steuerung, menschenähnliche Bewegungsfähigkeit und hohe Adaptionsfähigkeit sollen sie bestehende Systeme ergänzen, nicht ersetzen. Das Projekt in Spartanburg liefert wichtige Erkenntnisse zur Human-Robot-Kollaboration, möglichen Skalierungsstrategien und betrieblichen Resilienz. Der Schritt zeigt: Die Industrie 5.0 beginnt konkret – mit dem Menschen als zentraler Instanz der smarten Produktion.
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Roboterwelt Redaktion