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Welche Sensoren moderne Roboter wirklich intelligent machen

von Roboterwelt Redaktion 20. Juli 2025

Sensoren sind die Sinnesorgane der Robotik. Erst durch sie erkennen Roboter ihre Umgebung, treffen fundierte Entscheidungen und agieren autonom. Wer die richtigen Sensoren clever kombiniert, schafft leistungsfähige Systeme – sei es für die industrielle Fertigung, autonome Navigation oder anspruchsvolle Greifoperationen. 

Grundlagen der Robotersensorik

Ob Roboterarme, autonome Fahrzeuge oder humanoide Assistenten: Robotik funktioniert nicht ohne Sensorik. Sensoren erfassen physikalische Größen wie Entfernung, Temperatur oder Kraft und übersetzen sie in verwertbare Datenströme. 

Grundsätzlich wird unterschieden in: 

  • Exterozeptive Sensoren: Nehmen Informationen aus der Roboterumgebung auf (z. B. Kamera, Lidar). 

  • Propriozeptive Sensoren: Messen interne Zustände des Systems (z. B. Gelenkstellung, Batteriespannung). 

Für beide Gruppen stehen verschiedenste Technologien zur Verfügung – von optisch über magnetisch bis kapazitiv. 

Übersicht zentraler Sensorarten

Vision-Sensoren

Kamerasysteme liefern visuelle Daten, oft in Kombination mit Tiefeninformationen. Typische Varianten: 

  • RGB- und Tiefenkameras (z. B. Intel RealSense) 

  • Time-of-Flight (TOF), Stereo-Vision, Structured Light 

Anwendungen: 

  • Objekterkennung und Klassifikation 

  • Navigation und SLAM 

  • Mensch-Roboter-Interaktion 

Näherungssensoren

Sie erkennen Objekte in direkter Umgebung – ohne physischen Kontakt. 

Typen: 

  • Infrarot (IR) 

  • Ultraschall 

  • Kapazitiv / Induktiv 

Nutzen: 

  • Hindernisvermeidung 

  • Abstandsmessung in Greifsystemen 

  • Kollisionsschutz bei Cobots 

Taktilsensoren

Sie registrieren Berührungen und Druckverhältnisse. Für feinfühlige Roboterhände unerlässlich. 

Technologien: 

  • Piezoelektrische oder resistive Druckfelder 

  • Soft-Robotik-Haut 

  • Kapazitive Flächen 

Kraft- und Drehmomentsensoren

Diese Sensoren sind kritisch für präzise Manipulation – etwa beim Einpressen oder bei Mensch-Roboter-Kooperation. 

Typen: 

  • Strain-Gauge-basierte Sensoren 

  • Piezoelektrische Bauformen 

Beispiel: Robotiq 6-Axis Force Torque Sensor 

Bewegungssensoren

Für Navigation und Lagekontrolle sind trägheitsbasierte Sensoren essenziell. 

Hauptvarianten: 

  • Accelerometer (Beschleunigung) 

  • Gyroskope (Drehraten) 

  • IMU (kombiniert mehrere Inertialsensoren) 

Sie kommen oft in Drohnen, AMRs oder Greifarmen zum Einsatz. 

Lidar-Sensoren

Lidar erzeugt präzise dreidimensionale Abbildungen der Umgebung durch reflektierte Laserimpulse. 

Varianten: 

  • Rotierende 2D/3D-Lidar 

  • Solid-State-Lidar 

Einsatzgebiete: 

  • SLAM-basierte Navigation 

  • Objekterkennung bei AMRs 

  • Abstandsmessung mit hoher Reichweite 

Vergleich Vision vs. Lidar: 

KriteriumLidarKamera
ReichweiteHoch (bis 100 m)Mittel (je nach Optik)
TiefenerfassungExakt (Abstand über Zeitmessung)Indirekt (via Parallaxe)
DatenbedarfHochSehr hoch (bei RGB + Tiefe)
KostenHoch (teils > 3.000 €)Gering (ab 100 €)

GPS- und Positionssensoren

Für Outdoor-Robotik ist satellitengestützte Navigation zentral. Präzisions-GNSS-Systeme ermöglichen Reproduzierbarkeit auf Zentimeterebene. 

Beispiele: 

  • Landwirtschaftsroboter 

  • Logistikfahrzeuge 

Weitere Sensortypen

  • Hall-Sensoren: Rotationslage an BLDC-Motoren erkennen 

  • Temperatursensoren: Thermische Überwachung, z. B. in Batteriemodulen 

  • Mikrofone: Zur Umgebungswahrnehmung bei Service-Robotern 

Sensorfusion als Schlüssel zur Robustheit

Einzelne Sensoren haben Schwächen. Erst die gezielte Kombination („Fusion“) steigert Zuverlässigkeit. Beispielhafte Paarungen: 

  • IMU + Kamera: Visual-Inertial-Odometrie 

  • Lidar + Kamera: Tiefendaten redundant und robust erfassen 

  • Taktilsensorik + Kraftaufnehmer: Feinfühliges Greifen ermöglichen 

Algorithmen zur Fusion beinhalten: 

  • Kalman-Filter 

  • Partikelfilter 

  • KI-gestützte Ansätze (Convolutional Neural Networks, Sensor Attention Models) 

Sensorik trifft Anwendungspraxis

In der Fertigungsautomatisierung

  • Montage und Fügeprozesse: Kraft-/Momentenregelung 

  • Qualitätssicherung durch Vision-Systeme 

  • Safety-zertifizierte Näherungssensorik für MRK 

In autonomen mobilen Robotern (AMR)

  • Navigation durch SLAM (Lidar + IMU + Kamera) 

  • Kollisionserkennung und Umfahrerstrategien über Nahbereichssensorik 

  • Positionshalt per Odometrie + GPS 

In der Medizinrobotik

  • Hochauflösende taktile Sensorik für OP-Systeme 

  • Steuerung mithilfe haptischer Rückkopplung 

  • Ultraschallsensoren zur Bildgebung 

In der Luft- und Raumfahrt

  • Optische Systeme für präzises Docking 

  • Radar für Navigation bei Sichtbehinderung 

  • Strahlungsdetektoren für Weltraumumgebungen 

Herausforderungen der Sensorintegration

Mehr Sensorik bedeutet nicht automatisch mehr Qualität. Zahlreiche Hürden prägen moderne Systeme: 

  • Latenzen: Synchronisation mehrerer Datenquellen erfordert ausgeklügelte Zeitstempelung 

  • Kalibrieraufwand: Gerade bei Kameras und Lidar unverzichtbar 

  • Stromverbrauch: Kritisch für mobile Roboter 

  • Rauschen: Muss softwareseitig kompensiert werden 

  • Kosten: Sensorbudget vs. Systemnutzen abwägen 

Technologietrends der kommenden Jahre

Die Sensorik-Entwicklung ist dynamisch. Besonders relevant: 

  • Miniaturisierung für SWaP-kritische Anwendungen (Größe, Gewicht, Strom) 

  • KI-on-the-Edge: Lokale Auswertung komplexer Sensordaten 

  • Sensor-Netzwerke in Schwärmen oder Cloud-Robotik 

  • „Haut-basierte“ Sensorik für biomechanische Interaktion 

Fazit

Sensorik entscheidet über Autonomie, Intelligenz und Skalierbarkeit eines Robotersystems. Je nach Aufgabe ist eine individuelle Auswahl und Kombination erforderlich – stets unter Berücksichtigung von Leistung, Kosten, Energiebedarf und Integrationsaufwand. 

Innovative Entwicklungen wie intelligente Sensorfusion, AI-getriebene Interpretation oder robotische Haut lassen Systeme entstehen, die komplexe Umgebungen nicht nur verstehen, sondern aktiv mitgestalten. 

Zusammenfassung
  • Glühbirne

    Wer moderne Robotiksysteme effizient einsetzen will, kommt an hochwertiger Sensorik nicht vorbei. Angefangen bei Kameras und Lidar über Kraft- und Näherungssensoren bis hin zu taktilen Oberflächen und Inertialsensoren ist eine große Bandbreite verfügbar. Die clevere Kombination mehrerer Quellen – etwa durch Sensorfusion – liefert nicht nur verlässliche Daten, sondern auch operative Robustheit. Ob in der Fertigung, Logistik, Medizin oder Forschung: Die Sensorstrategie entscheidet maßgeblich über Leistungsniveau, Anpassungsfähigkeit und langfristigen Erfolg. 

Autoren
  • Roboterwelt Redaktion Roboterwelt Redaktion