Wie Roboter das Laufen auf dem Mars lernen – in der Wüste
von Roboterwelt Redaktion 06. September 2025
In New Mexico testen Forschende neue Laufroboter – nicht einfach nur zum Spaß, sondern um sie auf die extremen Bedingungen des Planeten Mars vorzubereiten. Mithilfe von KI, physikalischer Simulation und Experimenten in Mars-ähnlichem Sand entsteht revolutionäre Technologie für die planetare Exploration der Zukunft.
Mars-Terrain unter der Lupe: Warum Laufen auf dem roten Planeten so komplex ist
Der Untergrund des Mars besteht aus losem Regolith: einem Gemisch aus scharfkantigen, porösen Staubpartikeln, das wetterbedingt stark schwankt. Einige Stellen gleichen unbefestigten Böden, andere erinnern an Lawinenrückstände oder bröseligen Vulkansand. Für Radfahrzeuge bedeutet das: schnelles Eingraben, Traktionsverlust und manövrierhemmende Rückstände.
Hinzu kommt die geringe Schwerkraft von nur rund 38 Prozent der Erdanziehungskraft. Roboter verlieren dadurch Gewicht, aber auch Stabilität bei der Fortbewegung. Insbesondere beim Laufen, Springen oder Drehen können minimale Gleichgewichtsverschiebungen kritische Kettenreaktionen auslösen.
Zudem erschwert die dünne Marsatmosphäre jede aerodynamische Steuerung. Dämpfungseffekte, wie sie auf der Erde durch Luftwiderstand wirken, fallen deutlich geringer aus – was die Bewegung instabiler macht. Diese Faktoren machen klar: Fortbewegung auf dem Mars ist kein simples Problem mechanischer Konstruktion, sondern eine Frage smarter, selbstadaptierender Systeme.
Die Wüste von New Mexico: Ein planetarisches Testfeld auf der Erde
In der Nähe des White Sands National Park wurde ein ungewöhnliches Forschungslabor errichtet. Aufgrund seiner feinen Gipsdünen, thermischer Extreme und konstanter Windverschiebungen ist das Gebiet ideal für Tests in gesellschaften Mars-Analogumgebungen.
Wie auf dem Mars bewegt sich dort der Boden: Er fließt, verhakt sich und bricht partiell ein. Die Sandkörnchen ähneln dem Marsregolith in Größe, Verhalten und Plastizität. Das macht sie zum perfekten Übungsfeld für die Entwicklung laufender Roboter.
Dabei entscheiden die Forschenden nicht nur situativ: Die Umgebung wurde bewusst als experimentelle Analogie des Mars ausgewählt – vergleichbar mit früheren Rover-Tests in der Mojave-Wüste. Die Kombination aus verfügbarer Infrastruktur und naturnaher Unberechenbarkeit macht New Mexico damit zu einem planetary robotics playground.
Robophysics trifft Machine Learning: Laufen lernen wie ein Organismus
Das Forschungsteam um Daniel I. Goldman von der Georgia Tech nennt sein Arbeitsfeld „Robophysics“: Es verknüpft Bewegungsanalyse, Maschinenphysik, Biomechanik und künstliche Intelligenz. Ziel ist nicht nur die Optimierung von Hardware, sondern ein tiefes Verständnis der Wechselwirkung zwischen Roboter und Umgebung.
Ein Resultat dieser Arbeit ist „SandBot“ – ein sechsgliedriges Laufwesen mit konfigurierbaren Gangarten. Die verschiedenen Bewegungsmuster werden auf Reaktion und Effizienz getestet. So entsteht schrittweise ein Repertoire geeigneter Gangprofile für instabile Sand-Settings.
Der Clou liegt im Lernen aus Erfahrung: Sensoren und AI-gestützte Systeme erfassen Bodenkontakt, Schlupf, Neigungswinkel, Kraft-Einwirkung und Energieverbrauch. Daraus werden Fortbewegungsmuster abgeleitet, angepasst und generalisiert. Simulation und Realität greifen ineinander – auch durch „Sim2Real“-Transferprojekte wie LEGO Locomotion.
Drei Schlüsselelemente der Methode:
Sensorisch vernetzte Hardware mit modular anpassbarer Mechanik
KI-gestützte Bewegungsauswertung (z. B. mittels Reinforcement Learning)
Physikalische Simulationsumgebungen, um Generalisierung zu trainieren
Vergleich Mars vs. Testfeld New Mexico
Merkmal | Mars | New Mexico Testgebiet |
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Gesteinsart | Basaltische Regolith-Mischungen | Gips-Feinsand mit Scherkräften |
Schwerkraft | 38 % der Erdanziehung | Vollastraining mit Anpassung |
Temperaturschwankung | -125 °C bis 20 °C | -5 °C bis 45 °C |
Luftdichte | ca. 0,6 % der irdischen | Erdstandard, aber trocken |
Begehbarkeit | variabel (Krater, Dünen) | kontrolliert segmentierbar |
Kooperationsnetzwerke: Georgia Tech, NASA und JPL
Die Ergebnisse aus New Mexico fließen direkt in kooperative Projekte mit dem NASA Jet Propulsion Laboratory ein. Gemeinsam wird an neuen Mobilitätsplattformen für den planetaren Einsatz gearbeitet – darunter am quadrupedalen „NeBula Spot“-System.
Diese Laufroboter sollen Gebiete erkunden, die klassische Rover nicht erreichen: Kraterwände, Lavakanäle oder potenzielle Astrobiologie-Zonen. KI sorgt dabei nicht nur für das Verstehen des Bodens, sondern auch für adaptives Verhalten in Risikosituationen – etwa bei abrupten Hangauslenkungen.
Zukunftsgerichtete Implementierungen beinhalten:
Risikomustererkennung mittels Deep Learning
Kombination von LIDAR, Thermal Imaging und autonomer Navigation
Speicherung adaptiver Bewegungsmuster in Echtzeit-Datenbanken
Anwendung über den Mars hinaus
Vier Felder, die von dieser Forschung profitieren:
Such- und Rettungseinsätze in Erdbeben-, Lawinen- und Minenregionen
Tiefenforschung in schwer zugänglichen Naturarealen (z. B. Höhlen, Polarregionen)
Planetare Astrobiologie, um Hinweise auf mikrobielles Leben zu suchen
Infrastrukturaufbau im All: autonome Roboter, die Pipelines, Solarfelder oder Habitat-Fundamente errichten
Die robuste KI-Steuerung selbstadaptiver Laufroboter stellt einen technologiepolitischen Meilenstein dar – sowohl im All als auch auf der Erde.
Fazit: Smartes Gehen für smarte Missionen
Die Fähigkeit von Robotern, sich auf unberechenbarem Terrain selbstständig fortzubewegen und dabei aus ihren Fehlern zu lernen, ist kein optionales Feature, sondern eine Voraussetzung für planetare Exploration. Die Feldforschung in New Mexico verdeutlicht, wie durch physikalisch fundierte Experimente und gezielte KI-Modellierung Roboter auf hochdynamische Umgebungen vorbereitet werden können.
Was dabei entsteht, reicht weit über das Gehen im Sand hinaus: Es sind lernfähige, robuste Systeme, die komplexe Naturerscheinungen nicht nur überstehen, sondern intelligent nutzen. Die nächste Generation Mars-Roboter wird laufen – und ihren ersten Schritt hat sie dort gemacht, wo wir feinen Sand durch unsere Finger rieseln lassen: in der Wüste von New Mexico.
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In der Weißen Wüste von New Mexico simulieren Forschende marsähnliche Bedingungen, um fortschrittliche Laufroboter zu trainieren. Diese lernen mithilfe von Machine Learning, sich an instabile, sandige Böden anzupassen – ein entscheidender Schritt für zukünftige Marsmissionen. Durch robophysikalische Analysen, tiefe Simulationen und bio-inspirierte Robotik entsteht ein neues Verständnis robuster Fortbewegung in dynamischen Umgebungen. Die Erkenntnisse reichen über Astrobiologie hinaus – bis hin zu autonomer Erkundung auf unserem eigenen Planeten.
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Roboterwelt Redaktion