Pflege unterstützen, nicht ersetzen: Was HoLLiECares leisten kann
von Roboterwelt Redaktion 23. Juli 2025
Wenn Menschlichkeit auf Hightech trifft: Der humanoide Roboter HoLLiE soll Pflegekräfte entlasten und Patient:innen aktiv begleiten. Ein intelligentes Assistenzsystem mit großem Potenzial – und klaren Grenzen.
Interaktive Technologien als Antwort auf den Pflegenotstand
Der demografische Wandel verschärft eine zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen: Der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal. Gleichzeitig wächst der Bedarf an individueller Versorgung. Projekte wie HoLLiECares setzen gezielt auf interaktive Technologien, um diese Lücke zu adressieren – mit künstlicher Intelligenz, sozialer Robotik und menschenzentriertem Design.
Das Projekt HoLLiECares im Überblick
HoLLiECares basiert auf dem humanoiden Roboter HoLLiE, entwickelt am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er agiert als interaktiver Assistenzagent, der auf multimodale Kommunikation setzt – also Sprache, Mimik, Gestik, Sensorik und KI-gestützte Datenverarbeitung kombiniert.
Projektziele:
Unterstützung von Pflegepersonal durch Routineentlastung
Förderung der Selbständigkeit von Patient:innen
Soziale und kognitive Aktivierung im Alltag
Integration in bestehende digitale Gesundheitsökosysteme
Gefördert wird das Vorhaben mit 2,5 Millionen Euro im Rahmen der BMBF-Initiative für interaktive Technologien.
Technologische Kernkomponenten
HoLLiECares setzt auf ein modulares Zusammenspiel aus fortschrittlicher Robotik und adaptiver KI. Relevante Teilbereiche sind:
1. Multimodale Interaktion
Der Roboter erkennt und verarbeitet Sprache, erkennt Gesten und ist in der Lage, visuelle sowie auditive Reize zu analysieren. Dies ermöglicht beispielsweise:
gesprochene Erinnerungen an Medikamente
empathische Reaktionen auf Stimmungslagen
gestengestützte Anleitungen bei Mobilitätsübungen
2. Maschinelles Lernen
Deep-Learning-Modelle ermöglichen eine personalisierte Interaktion. Emotionserkennung, Kontextanalyse und dialogbasierte Kommunikation werden kontinuierlich optimiert – basierend auf Nutzungsdaten und individueller Historie.
3. Vernetzte Systeme
Über standardisierte Schnittstellen kann HoLLiE auf medizinische Plattformen, elektronische Patientenakten oder Telekonsultationen zugreifen. Das erleichtert Betreuung und sorgt für lückenlose Dokumentation.
Übersicht: Technologische Merkmale von HoLLiECares
Funktion | Beschreibung |
---|---|
Sprachverarbeitung | NLP-gestützt, situationssensitiv, adaptiv |
Emotionserkennung | Via Gesichtsanalyse, Stimmmuster, Bewegungsverhalten |
Lernfähigkeit | Selbstoptimierend durch Interaktionen |
Konnektivität | Kompatiblität mit digitalen Gesundheitslösungen |
Nutzerschnittstelle | Touch-Display, Sprach-UI, sensorische Rückmeldung |
Praxisnahe Anwendungsszenarien
Die Entwicklung folgt einem ko-kreativen Ansatz. Pflegekräfte, Medizintechnik, Patient:innen und Entwicklerinnen arbeiten gemeinsam an relevanten Funktionen. Daraus ergeben sich vielfältige Einsatzfelder:
Typische Anwendungsfälle:
Gedächtnistraining, Quiz, Musik-Interaktion für Menschen mit Demenz
Erinnerung an Trinkmengen, Einnahmezeiten, Bewegungsetappen
Erfassung von Vitalzeichen wie Puls oder Aktivitätslevel
Gesprächsbegleitung bei Einsamkeit – auch außerhalb aktiver Betreuung
Unterstützung pflegender Angehöriger bei Abwesenheit
Diese Aufgaben übernimmt HoLLiE ohne menschliches Pflegepersonal zu ersetzen. Vielmehr wird der Roboter als "situativer Assistent" konzipiert: aktivierend, unterstützend und nie autonom entscheidend.
Akzeptanzfaktoren und ethische Herausforderungen
Die Integration robotischer Systeme in Pflegeberufe stellt hohe Anforderungen – nicht nur technisch, sondern auch moralisch und psychologisch.
Vorteile für Gesundheitseinrichtungen:
Reduktion repetitiver Aufgaben
Entlastung in stressintensiven Situationen
Höhere Sicherheit im Alltag (z. B. Sturzerkennung, Notfallkommunikation)
Potenzielle Hürden:
Widerstände beim Personal wegen Rollenunklarheiten
Bedenken zur "Entmenschlichung" der Pflege
Datenschutzanforderungen an sensible Patientendaten
Professionell eingesetzte Systeme wie HoLLiE erfordern daher nicht nur stabile Technik, sondern auch eine reflektierte Care-Etik. Schulung, Kommunikation und transparente Prozesse sind entscheidend.
Evaluation unter Realbedingungen
Aktuell wird HoLLiECares in verschiedenen Pflegeeinrichtungen getestet. Die Erprobung berücksichtigt funktionale, psychosoziale und wirtschaftliche Faktoren:
Wie intuitiv ist die Bedienung für verschiedene Akteursgruppen?
Welche messbaren Entlastungseffekte ergeben sich?
Wie verändert sich das Sicherheits- und Wohlbefindensempfinden von Patient:innen?
Begleitet wird die Evaluation durch etablierte Modelle wie das UTAUT zur Technikakzeptanz sowie durch interviews und Beobachtungsstudien.
Blick nach vorn: Integration in die Pflegepraxis
Langfristig muss ein Assistenzsystem wie HoLLiE in Standardprozesse bestehen. Dafür braucht es:
regulatorische Vorgaben für Einsatzbereiche und Datenschutz
interoperable digitale Gesundheitsinfrastrukturen
wirtschaftliche Fördermodelle für Anschaffung und Betrieb
Projekte wie PAL, MARIO oder ACCRA in Europa zeigen, wie das gelingen kann – durch Testzentren, interdisziplinäre Pilotprogramme und strategischen Wissenstransfer.
Fazit: Technologie mit menschlichem Maß
HoLLiECares vereint Hightech mit Menschlichkeit. Die Stärken des Systems liegen nicht in der Substitution, sondern in der intelligenten Ergänzung menschlicher Pflegearbeit. Mit zunehmender technischer Reife und gesellschaftlicher Offenheit kann ein solcher Ansatz nicht nur das Gesundheitssystem entlasten, sondern auch ein neues Kapitel personalisierter Fürsorge eröffnen.
-
HoLLiECares zeigt exemplarisch, wie Robotik und KI gezielt zur Unterstützung pflegerischer Prozesse eingesetzt werden können. Durch natürliche Interaktion, lernfähige Assistenz und Vernetzung mit digitalen Gesundheitsplattformen entsteht ein System, das Patient:innen stärkt und Pflegepersonal entlastet. Entscheidende Erfolgsfaktoren bleiben jedoch Akzeptanz, Ethik, Datenschutz und Praxistauglichkeit.
-
Roboterwelt Redaktion