Warum Mondfahrzeuge neue Räder brauchen – und was wirklich funktioniert
von Roboterwelt Redaktion 30. Juli 2025
Die NASA sucht mit Hochdruck nach innovativen Radkonzepten für den Mond. Extreme Temperaturunterschiede, abrasiver Staub und geringe Schwerkraft stellen Entwickler vor besondere Herausforderungen. Neue Materialien, smarte Strukturen und interdisziplinäre Konzepte könnten die Mobilität planetarer Roboter revolutionieren.
Extreme Umweltbedingungen verlangen radikale Neuentwicklungen
Rover, die sich über die Mondoberfläche bewegen, stoßen auf Bedingungen, die weit von allem entfernt sind, was irdische Technik gewohnt ist. Temperaturen schwanken enorm – von eiskalten -173 °C bis zu mehr als +127 °C. Hinzu kommen Vakuumbedingungen, scharfkantiger Regolith und mikrometeoritenbedingter Verschleiß.
Der aufgeladene Staub agiert wie Schmirgelpapier und setzt sich in mechanischen Bauteilen fest. Gleichzeitig erschwert die geringe Gravitationskraft die Traktion. Herkömmliche Lösungen stoßen daher schnell an ihre Grenzen. Neue Radkonzepte müssen diesen Belastungen nicht nur standhalten, sondern auch jahrzehntelangen Betrieb ohne Wartung ermöglichen.
Was bisher (nicht) funktioniert hat
Schon in den 1970er Jahren setzte die NASA beim Apollo Lunar Rover auf innovative Materialien: leichte Metallgitterräder mit Titanstruktur, die zugleich Aufhängung und Fortbewegung ermöglichten. Diese Idee war robust, aber primär für kurze Aufenthalte gedacht.
Neuere Mars-Rover wie Curiosity und Perseverance nutzten Vollaluminium-Räder – was auf felsigem Grund zu Rissen und Verlust an Traktion führte. Die Ursachen:
Abrieb durch scharfen Untergrund
Uneinheitliches Geländeverhalten
Mangelnde Flexibilität des Profils
Ein Vergleich zeigt die Unterschiede:
Rover | Material | Herausforderung |
---|---|---|
Apollo LRV | Titandrahtnetz | gute Federung, begrenzte Missionszeit |
Curiosity | Aluminiumkörper | Risse durch Mars-Felsen |
Perseverance | Aluminium mit Chevron-Profil | Schlechte Traktion im Sand |
Warum der Mond eine eigene Mobilitätslösung braucht
Der Mondregolith ist eine Herausforderung für sich. Er besteht aus mikroskopisch kleinen, scharfkantigen Partikeln mit glasähnlicher Struktur – ein Nebenprodukt von Milliarden Jahre alter Meteoriteneinschläge. Diese Partikel sind extrem abrasiv und elektrostatisch aufgeladen.
Gleichzeitig versagen klassische Gummimaterialien im Vakuum, da sie ausgasen, verspröden oder sich zersetzen. Auch intime Komponenten wie Kugellager und bewegliche Dichtungen sind hochgradig gefährdet – insbesondere über monatelange oder autonome Einsätze.
Neue Technologien: Shape-Memory-Räder und mehr
Eine besonders vielversprechende Lösung kommt vom NASA Glenn Research Center: Räder auf Basis sogenannter Shape Memory Alloys (SMA). Diese Metalllegierungen – meist aus Nickel und Titan – verformen sich unter Belastung und kehren danach wieder in ihre Ausgangsform zurück. Luftlose Elastizität ist das zentrale Prinzip.
Vorteile der SMA-Technologie:
Kein Luftdruck, keine „Platten“
Dauerelastizität auch bei extremen Temperaturen
Anpassungsfähig an variable Bodenverhältnisse
Die NASA testet diese Lösung bereits nicht nur für den Mars, sondern auch für künftige Mondmissionen wie Artemis. Ergänzend werden folgende Konzepte untersucht:
3D-gedruckte Radprofile, angepasst an lokale Regolithstrukturen
Biologisch inspirierte Fortbewegungsmuster (z. B. Rad-Bein-Hybride, Schlangenbewegung)
Rekonfigurierbare Robotersysteme aus modulen Einheiten
Mobilität mit System: Anforderungen an nächste Rovergenerationen
Der künftige Betrieb auf dem Mond ist auf Jahre ausgelegt – mit autonomen Einheiten, die ohne menschliche Wartung ihre Funktion erfüllen müssen. Demnach steigen die Anforderungen an Struktur und Antrieb.
Wichtige Kriterien für Roverräder der Zukunft:
Dauerhafte Wartungsfreiheit im Vakuum
Hohe Resilienz gegen Abrieb und thermischen Stress
Adaptive Traktion und flexible Federung
Selbstreinigung und Diagnosefähigkeit
Projekte wie das LUNARES-Habitat in Polen unterstützen die Forschung, indem Missionsszenarien im Regolith-ähnlichen Sand bei Mondbeleuchtung simuliert werden. Solche Analogmissionen haben entscheidenden Einfluss auf Designprozesse.
Crowdsourcing als Innovationsmotor
Mit Programmen wie dem TechLeap Prize (Moon to Mars Mobility Challenge) lädt die NASA gezielt externe Entwickler, Start-ups und Forschungseinrichtungen ein, Lösungen beizusteuern. Ziel ist eine offene Innovationskultur über Disziplinen hinweg.
Die Vorteile für die NASA liegen auf der Hand:
Schnellere Entwicklung dank agiler Teams
Kosteneinsparungen durch externe Expertise
Breiteres Innovationsspektrum durch neue Perspektiven
Dabei entstehen nicht nur technische Lösungen – sondern auch völlig neue Denkansätze: weg vom klassischen Rad hin zu rekonfigurierbaren Mobilitätssystemen.
Ausblick: Vom Rad zur adaptiven Fortbewegung
Die Aufgaben auf dem Mond werden komplexer – von der Erkundung über den Aufbau langfristiger Infrastruktur bis hin zu Rohstoffgewinnung. Dafür braucht es radikale Neuentwicklungen in der planetaren Mobilität.
Die Kombination aus intelligenten Materialien, additiv gefertigten Strukturen und bioinspirierten Antrieben formt derzeit eine neue Generation von Roverarchitekturen. Flexible, anpassungsfähige und energieeffiziente Designs treten an die Stelle starrer Metallkörper.
„Reinventing the wheel“ meint dabei nicht Rückbesinnung – sondern technologische Neudefinition. Die Forschung dazu beginnt jetzt. Und sie ist entscheidend für die Erschließung außerirdischer Welten.
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Die NASA fordert mit der „Moon to Mars Mobility Challenge“ gezielt technologische Innovationen für Roverräder ein. Gefragt sind Lösungen, die den extremen Bedingungen auf dem Mond standhalten: abrasiver Staub, starke Temperaturschwankungen, geringe Gravitation. Neue Werkstoffe wie Shape Memory Alloys (SMA), adaptive Profilsysteme und modulare Hybridantriebe zeigen vielversprechende Ansätze. Ziel ist eine langlebige, wartungsfreie Mobilität auf planetaren Oberflächen – als Schlüssel für künftige Raumfahrtmissionen.
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Roboterwelt Redaktion